Umweltrichtlinien mit Löchern

Industriestaaten wollen sich nicht auf eindeutige ökologische und soziale Kriterien für Exportbürgschaften einigen

BERLIN taz ■ Die 29 Länder der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) peilen an, relativ unverbindliche Regelungen für ihre Exporte zu beschließen. Das geht aus dem neuesten Entwurf für die OECD-Verhandlungsrunde am 8./9. Juni hervor, der der taz vorliegt. Auf strikte Umwelt- und Sozialstandards wollen sich die wichtigsten Wirtschaftsnationen der Welt bislang nicht einigen. Damit kann die OECD die Absichtserklärung des Weltwirtschaftsgipfels von 1999 nicht erfüllen, eindeutige Umweltrichtlinien zu formulieren. Gut und Böse sind bei diesem Konflikt einmal anders verteilt: Die Vertreter der USA fordern strikte Regelungen, während nahezu alle anderen OECD-Länder, darunter auch Deutschland, eher für laxere Kriterien plädieren.

Dabei geht es zum Beispiel um Projekte wie den Tehri-Staudamm in Indien, für den die Firma Siemens eine staatliche Hermes-Ausfallbürgschaft in Höhe von rund 70 Millionen Mark bei der Bundesregierung beantragt hat. Hätte Siemens seinen Hauptsitz in den USA, müsste sich das Unternehmen mit den teilweise schärferen US-Kriterien für staatliche Investitions-Förderung im Ausland auseinander setzen. So legt die Overseas Private Investment Corporation fest, dass infolge eines Staudammprojekts höchstens 5.000 Menschen umgesiedelt werden dürfen. Beim Tehri-Damm sind jedoch rund 100.000 Inder betroffen. Weil Deutschland keine zahlenmäßigen Kriterien für Staudammprojekte kennt, befürchtet die US-Regierung die Benachteiligung amerikanischer Unternehmen.

Entgegen der Forderung der USA nach schärferen Regeln plant die OECD-Mehrheit nun folgendes Verfahren: Export-Bürgschaften wie beim Tehri-Damm dürfen Umweltstandards des „Gastlandes“ nicht widersprechen, in diesem Fall also Indiens. Außerdem müssen sie mit „internationalen Standards“ harmonieren, heißt es in dem Verhandlungsentwurf für die nächste Runde. Welche Standards das genau sein sollen, beschreibt die OECD freilich nicht. Ebenso wenig werden konkrete Kriterien wie beispielsweise Umsiedler-Zahlen festgeschrieben.

Ferner heißt es in dem Entwurf, dass ein Land, „das internationale Standards unterschreiten will, dieses in einem Bericht erläutern sollte“. Untersagt wird die Umgehung transnationaler Regeln damit aber nicht.

Antje Schultheis vom Entwicklungsverband Weed hält den OECD-Richtlinien für viel zu „unverbindlich“. Weed kritisiert unter anderem, dass keine unabhängige Umweltverträglichkeitsprüfung etabliert wird.

Export-Geschäfte, die einen finanziellen Umfang von weniger als rund zehn Millionen US-Dollar umfassen, brauchen dem Vorschlag der OECD-Mehrheit entsprechend nicht überprüft zu werden. HANNES KOCH