Keine ewigen Wahrheiten

Das Verhältnis zwischen CDU und katholischer Kirche hat sich abgekühlt – nicht nur wegen der Gentechnik

BERLIN taz ■ Es war ein Zufall, aber einer, der aussagekräftiger nicht sein könnte. In Bonn forderten die katholischen Bischöfe mehr Rechte für die illegalen Einwanderer in Deutschland und zeigten damit der CDU, was sie von derem Verständnis des christlichen Menschenbildes in der Einwanderungspolitik halten. Das ist nicht eben viel. In Berlin erläuterte gestern zur gleichen Zeit die CDU-Vorsitzende Angela Merkel das entschiedene Sowohl-als-auch der Partei in Fragen der Gentechnik und zeigte damit der katholischen Kirche, was sie von deren Verständnis des christlichen Menschenbildes in der Biopolitik hält. Das ist nicht viel mehr.

Hier reden zwei Großinstitutionen aneinander vorbei, die in Westdeutschland jahrzehntelang als natürliche Verbündete galten. „Gehet hin und wählet CDU“, klang es früher von der Kanzel. Da hatte für viele das Wort des Pfarrers noch mehr Gewicht als das des Parteivorsitzenden. Ist das aus und vorbei? Ist die Christlich Demokratische Union nicht mehr die katholische Hauspartei?

Wenn man sich die Äußerungen mancher katholischen Bischöfe anschaut, könnte man fast diesen Eindruck gewinnen. Insbesondere Georg Sterzinsky und Joachim Meisner, die Kardinäle von Berlin und Köln, lesen der CDU in letzter Zeit regelmäßig die Leviten. Ob in der Sozial- und Familienpolitik, bei der Abtreibung, der Gentechnik oder der Einwanderungsfrage – die Union muss für ihre Positionen teilweise heftige Kritik der katholischen Kirche einstecken. Sterzinsky schockte die CDU vor einigen Tagen sogar mit der Aussage, dass die katholische Kirche die C-Parteien nicht mehr als ihre Parteien ansehen könne. Ganz ungeniert stellte er fest, dass die Position der Grünen in der Gentechnik der katholioschen Kirche näher sei als die der CDU.

Nun kann man diese rigiden Aussagen von Sterzinsky und Meisner damit erklären, dass die beiden Kardinäle aus Ostdeutschland stammen und die CDU in der DDR jahrzehntelang als brave Blockpartei erlebt haben. Viele westdeutsche Bischöfe kennen die christlichen Parteien noch als ihren engen Verbündeten. Da rief die katholische Kirche zur Wahl von Konrad Adenauer ebenso auf wie zur Wahl von Franz-Josef Strauß.

In den letzten Jahren hat sich das Verhältnis der katholischen Kirche zur Union insgesamt abgekühlt. Westdeutsche Bischöfe sagen das nur nicht so offen. Die Ausländerpolitik von CDU und CSU, vor allem deren Verhältnis zum Kirchenasyl, und die Sozialpolitik der Union stießen auf den Widerstand der Kirche. Das Sozialwort der Kirchen von 1997, das eine „neue Armut“ in Deutschland beklagte, gilt als einschneidende Veränderung im Verhältnis der Unionsparteien zur katholischen Kirche.

Und wie reagiert die CDU darauf? Mit einer Mischung aus Ignoranz, Besorgnis und Beleidigtsein. Die protestantische Parteichefin Angela Merkel bezeichnete das Verhältnis zur katholischen Kirche noch vor wenigen Tagen als gut. In zentralen Fragen sieht sie nach wie vor eine große Übereinstimmung. Trotzdem sollen ihr insbesondere die harten Worte von Kardinal Sterzinsky mächtig gestunken haben. Merkel kündigte umgehend ein Treffen mit der Katholischen Bischofskonferenz an.

Hermann Kues, kirchenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, findet die Kritik der Kardinäle ungerecht. Die Union setze sich in vielen Fragen viel stärker für die Interessen der Kirche ein als andere Parteien. Von anderen in der CDU wird die Kritik der katholischen Kirche als viel zu pauschal abgetan. Eine Partei stehe im politischen Wettbewerb und müsse Kompromisse eingehen, heißt es. Sie sei keine Verkünderin von ewigen Wahrheiten. JENS KÖNIG