Keine Architektur ohne Inhalte

Die wesentlichen Passagen aus der Rede des französischen Premierministers Jospin: „Frankreich und andere europäische Staaten können eine solche Vorstellung von einer Föderation nicht hinnehmen“

„Wir können nicht nur über die Institutionen und ihre Reform sprechen. Europa ist in erster Linie ein politisches Projekt. (...)

In Deutschland hat die SPD eine Konstruktion vorgeschlagen, die sehr stark nach dem politischen System dieses Landes ausgerichtet ist. Man kann aber keine Architektur vorschlagen, ohne zuvor über den politischen Inhalt nachgedacht zu haben, den Europa erhalten soll. Vor allem kann man nicht das Nachdenken darüber ausklammern, welchen Platz die Nationen in der europäischen Einheit haben sollen. (...)

Ich hoffe auf Europa, bleibe aber mit meiner Nation verbunden. Meine Entscheidung heißt: Europa errichten, ohne Frankreich niederzureißen. (...)

Föderation heißt für manche, dass die Staaten in der neuen Einheit die Stellung deutscher Bundesländer oder von US-Bundesstaaten hätten. Frankreich und andere europäische Staaten können eine solche Vorstellung von einer Föderation nicht hinnehmen. (...) Wir müssen eine Rückübertragung der politischen Zuständigkeiten der EU auf die Staaten zurückweisen. Dabei denke ich vor allem an die Strukturfonds. Die gemeinsame Landwirtschaftspolitik muss auf europäischer Ebene bleiben, aber neu ausgerichtet werden. (...)

Das Gewicht der EU-Kommission muss verstärkt werden. Ich schlage vor, den Kommissionspräsidenten aus jenem politischen Lager auszuwählen, das aus den EU-Wahlen als Sieger hervorgegangen ist. Der Europäische Rat soll das Recht erhalten, auf Antrag der EU-Kommission oder der Mitgliedsstaaten das EU-Parlament aufzulösen. (...) Ich bin für eine europäische Verfassung. Sie soll die Organisation und Funktionsweise der Institutionen festlegen. (...)

Um das Gebäude der EU im Gleichgewicht zu halten, brauchen wir eine Wirtschaftsregierung der Eurozone. Jeder Staat sollte seine Partner zu Rate ziehen, bevor er Entscheidungen trifft, die Auswirkungen auf die gesamte Zone haben. Wir sollten einen Konjunkturfonds gründen. Damit könnte jeder Mitgliedsstaat unterstützt werden, der von wirtschaftlichen Turbulenzen auf Weltniveau erschüttert wird. (...)

Handlungsweisen, die dem allgemeinen europäischen Interesse zuwiderlaufen, müssen endlich angegangen werden. Der Kampf gegen das Steuerdumping hat höchste Priorität. Es geht nicht, dass bestimmte Mitgliedsstaaten eine illoyale Konkurrenz betreiben, um internationale Investitionen zu sich zu lenken. (...)“ AFP