Bewusst ahnungslos

Die Sprecher der Bundesregierung sind bemüht, den Eindruck einer Kluft zwischen Frankreich und Deutschland möglichst zu zerstreuen

BERLIN taz ■ „Das reicht uns nicht.“ Christian Sterzing ist europapolitischer Sprecher der grünen Bundestagsfraktion. Sein Urteil über Jospins Rede: Dem französischen Premier „schwebt nur ein vorsichtiger Weiterbau des Bisherigen vor“. Insbesondere Jospins Konzentration auf eine Stärkung des Ministerrats stößt den Grünen auf; sie wollen eine engere Anbindung der europäischen Politik an die Bevölkerung.

Als Abgeordneter und Grüner ist Sterzing freier in seiner Kritik an der Rede Jospins als Gerhard Schröder. Schröder und Jospin müssen auch künftig miteinander auskommen. Demonstrativ ahnungslos konterte darum gestern Regierungssprecher Heye Fragen nach Jospins Kritik an Schröders Europamodell: „Ich weiß nicht, wo Sie Kritik wahrgenommen haben.“ Es gebe „Nuancen in der Einschätzung“, Berlin freue sich über „eine lebhafte Diskussion“, und die sei „fruchtbar“. Alles Weitere wollen die beiden Regierungschefs in vertraulicher Runde „vertiefen“.

Als glaubten sie ihren eigenen Worten nicht recht, mühten sich Schröders Helfer den ganzen Tag, den Eindruck einer Kluft mit Frankreich zu zerstreuen. Heyes Stellvertreter Bela Anda fand prompt eine Reihe von Gemeinsamkeiten zwischen Deutschen und Franzosen. Darunter seien die Forderungen nach einer europäischen Grenzpolizei, Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei. Übereinstimmungen gebe es auch, was die gemeinsame Verfassung anbelange. Beiden Ländern komme mit Blick auf die 2004 geplante Regierungskonferenz eine „große gemeinsame Verantwortung zu“.

In Joschka Fischers Ministerium lässt man durchblicken, dass der von Jospin so abgelehnte Gedanke einer Föderation eher Schröders Geisteskind ist. Im Übrigen sei doch die Absicht hinter Jospins Rede maßgeblich. Wenn dort der Wille zur Veränderung stehe, dann seien Formulierungsfragen weniger zentral. Wenn es dagegen dem Premier „ums Festhalten“ an alten Strukturen gehe, „dann haben wir eine andere Situation.“

PATRIK SCHWARZ