cdu und gentechnik
: Entschleunigung der Politik

Seit die CDU in der Opposition ist, hält sie sich beharrlich an drei Grundsätze: stolpern, stänkern, stürzen. Das Prinzip Rentenplakat: Wo es eine Schwelle gibt, stolpert die Partei darüber. Das Prinzip Leitkultur: Kaum gibt einer eine Richtung vor, stänkern die anderen los. Das Prinzip Wollknäuel: Worüber die Union auch diskutiert, es ist immer mit der Kanzlerkandidatur verbandelt und der Frage, welcher Anwärter zuerst stürzt – Merkel oder Stoiber.

Kommentarvon PATRIK SCHWARZ

Stolpern, stänkern, stürzen – es gibt genügend Stimmen, die der Union das auch bei der Biopolitik bescheinigen. Sie liegen falsch. Wenn es ein Thema in den Volksparteien CDU und CSU gibt, das nicht dem taktischen Kalkül folgt, dann ist es die Biopolitik. Dies haben gestern die Sitzungen von Präsidium und Vorstand der CDU ebenso gezeigt wie die Stellungnahme der CSU.

Zugegeben, die CSU von Edmund Stoiber hat sich festgelegt, noch ehe die CDU in Berlin so richtig zum Diskutieren kam. Die eigenen Kanzler-Ambitionen hat Stoiber mit seinem forschungskritischen Nein aber nicht unbedingt befördert. Stoibers Chance liegt in seinem Renommee als Schröder der Schwarzen – ein unideologischer Technokrat, der mit Kirchen wie Konzernen gleichermaßen kann. In der Gentechnik hat sich der Meister von Laptop und Lederhose ziemlich klar für den Trachtenanzug entschieden, mit dem man sich sonntags in der Kirche sehen lassen kann. Umgekehrt riskiert Merkel durch ihre Art, den Gen-Konflikt in der CDU zu moderieren, den Vorwurf der Schwäche – auch keine Empfehlung für eine Kanzlerkandidatin.

Doch wenn Merz und Rüttgers, Hintze und Hüppe nicht binnen einiger Stunden oder Tage zusammenfinden, ist die Suche nach gemeinsamen Positionen lohnens-, nicht verdammenswert. Bundespräsident Rau erinnerte in seiner Gen-Rede an die Atomdebatte im Bundestag der 50er-Jahre. Nur eine Enthaltung habe es damals gegeben. Zumindest dies ist jetzt im Bundestag nicht zu befürchten, wie die Debatte am kommenden Donnerstag zeigen wird.

Die Zweifel der Union bei der Biopolitik beweisen, dass Konservative lernfähig sind. Die CDU leistet sich einen Luxus: Sie weiß nicht, was sie will – und sie versucht auch nicht so schnell, es herauszufinden. In einer Zeit, in der die Entschleunigung der Politik eine gern erhobene Forderung des Feuilletons ist, macht die CDU eine unangenehme Erfahrung: Wer die Entschleunigung probiert, bekommt es im Alltagsgeschäft kaum honoriert.