... und weitere Episoden aus der Unterwelt

■ Mit „Giuseppe e Sylvia“ profiliert sich Oldenburg als Adriana-Hölszky-Hochburg: Das dortige Theater inszeniert jetzt erneut eine Oper der Komponistin

Am Donnerstag zeigt das Staatstheater Oldenburg seine zweite Inszenierung einer Adriana-Hölszky-Oper – besser: Musiktheater: „Giuseppe e Sylvia“ nach einem Libretto von Hans Neuenfels. Vergangenen November hatte sie in Stuttgart ihre viel beachtete Uraufführung. Oldenburg und Bremen haben schon so etwas wie eine „Hölszky-Tradition“: An der Weser wurde ihre erste Oper „Bremer Freiheit“ aufgeführt (nach dem Buch von Rainer Werner Fassbinder), an der Hunte das Werk „Wände“ nach Jean Genet als deutsche Erstaufführung. Der nach acht Jahren scheidende Intendant Stephan Mettin hat sich „Giuseppe e Sylvia“ gewünscht und selbst inszeniert. Anlässlich der Proben sprachen wir mit der Komponistin.

taz: Frau Hölszky, „Giuseppe e Sylvia“ ist ja für eine zeitgenössische Oper ein eher trivialer Titel. Was verbirgt sich dahinter? Geht es denn um das Leben von Giuseppe Verdi, der immer versuchte, sein Privatleben unkenntlich zu machen und Sylvia Plath, die als Dreißigjährige Selbstmord beging und umfangreiche Tagebücher hinterließ?

Adriana Hölszky: Hans Neuenfels hatte 1980 anlässlich seiner Frankfurter Inszenierung von Verdis „Aida“ eine Novelle über ein fiktives Treffen zwischen Verdi und Plath mit diesem Titel geschrieben. Er hatte meine „Wände“ in Wien inszeniert und wollte weiter mit mir arbeiten. So wurde ich für den Stuttgarter Auftrag angefragt. Natürlich geht es keinesfalls um die Biographie der beiden. Sie treffen sich im Totenreich und erzählen disparate Episoden aus ihrem Leben, was zu einem fragmentarischen Dialog wird. Es gibt also verschiedene vertikale Schichten und ich versuche mit meiner Musik, das Unsagbare zwischen den Zeilen zu treffen. Durch die textliche Vorgabe gibt es auch in der Musik kein Zentrum, sondern es werden sozusagen Schichten angeboten, deren Bedeutung immer eine andere ist ...

Orientieren Sie sich auch an historischen Vorbildern?

Eigentlich mag ich keine Opern als Inspirationsquelle. Später Verdi – ja, Mozart – ja, unbedingt auch Monteverdi. Aber mit den Großen dieses Jahrhunderts, Alban Berg und Bernd Alois Zimmermann zum Beispiel, habe ich eher Probleme.

Was verstehen Sie unter Inspiration?

Mit der Konkretheit und Körperhaftigkeit des Klanges umzugehen und eine Vision, eine eigene Vision umzusetzen. Man hat mit Klang nicht nur eine Zeit zur Verfügung, man hat mehrere. Wenn man etwas nicht absolut sehen oder hören kann, so sind doch immer Schichten und Zusammenhänge da, die einer Struktur das Leben geben. Man gestaltet die Zeit durch den Klang.

Zu Ihrer Klangerfindung: Sie arbeiten ja unglaublich einfallsreich, geradezu kompromisslos mit jeder Art von Geräuschklängen. Was ist das für ein Prozess, so eine Klangfindung?

Das höre ich innerlich. Und dann gibt es strukturelle Kräfte, auf die im Kompositionsprozess unerwartete Faktoren stoßen. Das macht das Ganze so aufregend, da werden deutliche Strukturen auf einmal undeutlich, da gibt es Sprünge, das ist eine ständige innere Bewegung.

In Ihrer Oper gibt es u.a. ein elektronisches Zuspielband, auf dem auch Orchester und Chöre sind. Hat das inhaltliche oder klangliche Gründe?

Sowohl als auch: Die Zuspielbänder, die in der Partitur übrigens ganz genau notiert sind, bilden die Säulen für die Formgliederung.

„Giuseppe e Sylvia“ ist Ihre dritte Oper. Wird es leichter oder eher schwerer, diese Gattung zu komponieren?

Immer schwerer. Denn was man mal gemacht hat, die Erfahrung, das bedeutet ja letztendlich nichts. Die Lebenssituation hat sich verändert, man darf doch nichts reproduzieren ...

Gibt es nicht so etwas wie ein Handwerk?

Selbstverständlich, aber das nutzt nichts, sondern ist eher gefährlich. Denn künstlerisch ist jede Routine falsch. Und diese Gefahren von Glätte, die gerade mit dem viel beschworenen Handwerk zusammenhängen, die muss man wissen und erkennen.

Alexander Kluge hat die für viele anachronistische Gattung Oper einmal „Kraftwerk der Gefühle“ genannt. Welche Utopien verbinden Sie mit dem Schreiben von Opern?

In keiner anderen Gattung kann man so tief bohren. Zeitlichkeit und Räumlichkeit können nirgends so komplex miteinander verwoben werden. Man kann Brüche zeigen, Welten, die inkompatibel sind und aufeinander prallen. So entsteht Spannung, komponierte Spannung.

Wie wichtig ist der Faktor Regie in der zeitgenössischen Musik?

Sehr sehr wichtig. Es ist falsch, wenn wir Regieanweisungen geben. Es ist nicht unser Job, es wird zu leicht tautologisch. Wir müssen ertragen, was die Regisseure machen, sie legen ja oft auch Schichten frei, die wir selbst nicht vermutet haben.

Sie haben eine Kompositionsprofessur in Salzburg. Was bedeutet für Sie das Unterrichten?

Die jungen Leute haben wunderbare Ideen. Aber leider führt die zeitgenössische Musik an unseren Hochschulen ein Schattendasein, man ist immer auf die Wohltätigkeit der Instrumentallehrer angewiesen. Dadurch können junge Komponisten viel zu wenig erfahren, wie das Geschriebene tatsächlich klingt.

Fragen: Ute Schalz-Laurenze

Premiere: Freitag, 1.6, um 19.30 Uhr im Oldenburger Theater.