strafplanet erde: der große mulch von DIETRICH ZUR NEDDEN
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Erschöpft von etwas, das andere Leute Power Shopping nennen würden, kehrte ich heim, gefühltes Alter ungefähr rüstige sechzig, ließ mich aufs Sofa fallen und nahm ein betagtes Exemplar der hiesigen Zeitung in die Hand, das oben auf den Altpapierstapel gelangt war, der sich seit Wochen geschickt dem Weggeschmissenwerden entzogen hatte. Wenn man nicht alles selbst ..., nein, alter Mann, nicht aufregen.

Der Aufmacher der „Bauen & Wohnen“-Beilage erklärte den „Trend der kommenden Saison, vielleicht sogar der kommenden Jahre“. Und der heißt „Lazy Gardening“, was man mäßig frei, aber sehr leise, damit’s die zuständigen Stellen nicht hören, mit Faules Gärtnern übersetzen könnte. Als ob der Große Gärtner (um auf Emil Noldes berühmtes Aquarell anzuspielen) nicht schon faul genug wäre, sonst würde er doch endlich mal dazwischenhauen und uns von einigen ganz besonders lästigen Zeiterscheinungen erlösen, vom Power Shopping zum Beispiel. Oder vom Hamburg-Mannheimer Herr Kaiser, der meine Wünsche so gut versteht, dass zur Rentenreform nun die Kaiserrente kommt. „Denn Glück ist planbar“, wäre wahrscheinlich die Antwort von oben, der ein Hinweis auf Leibniz’ prästabilierte Harmonie in der besten aller möglichen Welten folgen würde, dann hochmoralisches Ereifern meinerseits und ein wiederum lästiger, endloser Disput.

Ich wählte die ruhige Variante des Infotainments und las mehr übers Lazy Gardening: „Angesichts einer immer hektischer werdenden Welt scheint das Bedürfnis der Menschen stets größer zu werden, sich in ihre Privatsphäre zurückzuziehen und dort einen Kontrapunkt zu setzen.“ Diesen Kontrapunkt, so meine Erfahrung, setzen die meisten dann doch mit Pauken und Trompeten, sie machen Radau, sobald sie im Bratwurstfieber grillen, und vorher, auf dem Weg in ihre Privatsphäre, fahren sie mit heruntergekurbelten Fenstern ihre 120-Watt-Anlage mal so richtig aus. „Der Garten soll – ähnlich wie die Küche – nicht mehr Arbeitsbereich sein, sondern ein Ort der Kommunikation und der Entspannung. Besonders im Sommer soll er zu einer Art ausgelagertem Wohnzimmer unter freiem Himmel werden.“

Siehste.

Links daneben als praktischer Tipp ein Absatz übers Hochbeet, die „rückenfreundliche Alternative“, und mir fiel ein, was mir Monate vorher beim synergetisch integrierten Flanieren und In-Erdgeschossfenster-Kucken aufgefallen war, wie viele Menschen nämlich noch das klassische Hochbett der Siebzigerjahre als Platz sparende Alternative haben, jedenfalls hier in der Gegend, wo die Wohnungen in der Regel so winzig auch wieder nicht sind.

Rechts neben dem Hauptartikel begegnete ich einem meiner Lieblingswörter: Mulch. Mulch sollte nicht zu fein gehäckselt sein. Je feiner der Mulch, desto häufiger muss Mulch nachgestreut werden. Mulch ist Wahrigs Deutschem Wörterbuch von 1986 unbekannt, die Ausgabe von 1997 hat ihn dann endlich, den Mulch, Webster’s Dictionary längst und verweist aufs dialektdeutsche Wort Molsch. Molsch? Nein, Mulch ist schöner.