vorlauf
: Braune Poesie

Liebe im Vernichtungskrieg (Arte, Mi., 20.45 Uhr)

Die deutschen Soldaten seien nicht nur als Krieger gekommen, sondern auch als „Befreier“ von Stalins Terror und als Männer und Liebhaber, so lautet die Botschaft in Hartmut Kaminskis Dokumentation „Liebe im Vernichtungskrieg“. Muss Liebe schön sein. Insbesondere, wenn sie von faschistischen Eindringlingen ausgeht. Dass die deutschen Soldaten sich wie Schweine verhalten hätten, sei nicht wahr, so ein Zeitzeuge im Brustton der Überzeugung. Offenbar erinnert er sich noch gut an seine Teilnahme am Überfall auf die Sowjetunion. Und freut sich jetzt im Licht der Öffentlichkeit zu stehen. „Vergewaltigung? Brauchten wir gar nicht“, sagt er gönnerhaft. Auch die in diesem Zusammenhang gezeugte Tatjana K., Tochter eines Deutschen, ist überzeugt: „Die Liebe gewinnt immer. Die Liebe ist eine mächtige Kraft.“

Subjektiv ist diese Einstellung verständlich – Tatjana K. freut sich auf der Welt zu sein. Doch bei der Darstellung von Geschichte kommt es auf die Perspektive an, die der Chronist einnimmt, und welche Zeitzeugen er befragt. Und diese kann man nur verharmlosend und kriegsverherrlichend nennen. Erstaunliche Einschätzungen sind dem Film zu entnehmen. Vergewaltigung habe zum Marschgepäck gehört, wird im Film zwar kommentiert. Auch wird darauf hingewiesen, Hunger und Not seien wohl nicht ganz untypische Motive für „die Liebe“ gewesen. Aber immer wieder ist Jubeljargon zu hören, wie aus dem braunen Poesiealbum: Elegant, gut gekleidet, parfümiert und jung seien die Deutschen gewesen. Filmsequenzen, die behandeln, dass sowjetische Partisaninnen militärische Geheimnisse unter Einsatz ihres Lebens in Erfahrung brachten, sind anzüglich kommentiert: „Alle Zutaten eines Spionagethrillers, Liebe und Verrat“, hätten eine Rolle gespielt.

Gut, dass wir das jetzt so entspannt sehen können. Aus diesem Blickwinkel mutet die Ausübung sexueller Herrschaft im Krieg über die unterjochte Frau geradezu idyllisch an. Zwar sind Archivbilder getöteter Menschen und ausgebrannter Wohnungen zu sehen, aber fast jeder zweite deutsche Soldat habe dort „ein Verhältnis“ gehabt, heißt es. Kriegsvokabular mit Lore-Roman-Sequenzen versetzt. GITTA DÜPERTHAL