Nur keine falsche Bescheidenheit

Hamburgs neuer Innensenator Olaf Scholz liebt es, sich die Finger an einem heißen Stuhl zu verbrennen

Smart. Der Mann ist das, was gemeinhin smart genannt wird. Immer freundlich, immer verbindlich, fast immer ein wenig unnahbar. Persönliche Ansichten verbirgt er beim leisesten Zweifel an der Lauterkeit seines Gegenübers gern hinter druckreifen Formulierungen, deren Wolkigkeit einem erst später dämmert. Nicht wenige halten Olaf Scholz deshalb für glatt, für zu glatt. Auch Karrieresucht sagen Übelmeinende ihm nach. Damit hat es jetzt ein Ende. Morgen wird der 42-jährige Hamburger SPD-Chef in der Bürgerschaft der Hansestadt den Amtseid ablegen – als Innensenator.

Sein Bundestagsmandat, vor drei Jahren im Hamburger Wahlkreis Altona mit 48,5 Prozent direkt und haushoch gewonnen, muss er dafür niederlegen. Von seinen bundespolitischen Ambitionen wird sich der Fraktionsvorständler im Berliner Reichstag, den Kanzler Gerhard Schröder unlängst als ministrabel adelte, verabschieden müssen. Einer, der Karriere machen will, geht leichtere Wege. Wer ihn für eine Aufgabe gewinnen wolle, sagt Scholz mit diesem spitzbübischen Lächeln, das für ihn ebenso typisch wie selten ist, „muss mir nur sagen, daran kannst du dir die Finger verbrennen“.

Dazu wird er mehr als reichlich Gelegenheit haben in den nächsten 118 Tagen bis zur Neuwahl des Hamburger Landesparlaments. Das Thema Innere Sicherheit muss er, der Arbeits- und Sozialexperte, für die Sozialdemokraten zurückgewinnen, sonst droht der seit 44 Jahren dauerregierenden Hanse-SPD ein Begräbnis erster Klasse in der Wahlurne.

Als Parteichef hat der taz-Genosse, der sich als „pragmatischer Linker“ sieht, zusammen mit Bürgermeister Ortwin Runde die Verantwortung dafür, dass die SPD beim Wahlkampfthema Innere Sicherheit arg in die Defensive geraten ist. Scholz, verheiratet mit der SPD-Bürgerschaftsabgeordneten und Frauenpolitikerin Britta Ernst, und der altlinke Soziologe Runde haben das Wahlprogramm geschrieben, in dem viel von Politik für Familien, Frauen und Kinder die Rede ist, das die Standortpolitik bejubelt und den Einstieg in die Wissensgesellschaft propagiert, der Kriminalitätsbekämpfung in der Metropole aber keinen zentralen politischen Stellenwert zuweist und deren emotionale Bedeutung unterschätzt. Ein Programm für kühle Köpfe, von ebensolchen verfasst, nicht für heiße Herzen.

Ein Fehler, wie sich jetzt herausstellte, so gravierend, dass in einer politischen Notoperation am Montag der vom Polizeiapparat denunzierte und im genüsslichen Trommelfeuer der Springer-Medien taumelnde Amtsinhaber Hartmuth Wrocklage geopfert wurde.

Folgerichtig also, dass der Parteichef jetzt selbst auf dem heißesten Stuhl der Hansestadt Platz nimmt, um die Kastanien aus dem Feuer zu holen, die nicht er allein, aber auch er hineingeworfen hat. Den Polizeiapparat, der sich traditionell als Staat im Stadtstaat begreift, dessen „unseliger Corpsgeist“ vor sieben Jahren zum Hamburger Polizeiskandal führte und den damaligen Innensenator Werner Hackmann in den Rücktritt trieb, diesen Apparat zumindest bis zur Wahl am 23. September ruhig zu stellen, ist erste Genossenpflicht des BMW-Fahrers, der mit den Ordnungshütern bislang „nur bei Verkehrskontrollen direkt zu tun hatte“.

SVEN-MICHAEL VEIT