Pädagogisch verdeckte Ermittler

Polizeipräsident Justus Woydt sucht Aufpasser für Polizeiseminare  ■ Von Kai von Appen

Nach dem Rücktritt von Innensenator Hartmuth Wrocklage steht jetzt Polizeipräsident Justus Woydt auf der Kippe. In der Öffentlichkeit wird bereits offen über seine Entlassung durch den neuen Präses der Innenbehörde, Olaf Scholz, spekuliert. Seinen Status im Polizeiapparat hat Woydt durch einen neuen Entschluss auch nicht gerade verbessert: Nach taz-Informationen plant Hamburgs Polizeipräsident Justus Woydt, den StudentInnen der Fachhochschule Polizei auf auswärtigen Seminaren erfahrene Führungsbeamte als „Aufpasser“ mitzuschicken, damit es dort nicht zu Exzessen kommt. „Da sollen die Praxisanleiter als ,verdeckte Ermittler' missbraucht werden“, so ein Insider. „Statt die Ursachen zu erforschen, sollen wieder nur Symptome unterdrückt oder vertuscht werden.“

Ausgangspunkt sind die Vorkommnisse während eines Seminars Hamburger PolizeistudentInnen im bayrischen Sambachshofen. Vor knapp eineinhalb Jahren war dort eine Studiengruppe derart ausgerastet, dass sie während eines Besäufnisses das Inventar demolierte und eine Kommissarsanwärterin beinahe von einem Kollegen auf der Toilette vergewaltigt worden wäre. Die Frau zeigte die Tat an.

„Ich will nie mehr, dass bayrische Staatsanwälte Ermittlungsverfahren gegen Hamburger Polizeibeamte durchführen“, tobte damals Woydt im Präsidium, stellte sich aber nur kurz die Frage „Haben wir die richtigen Leute eingestellt?“ Denn schon in einem Brief an den Fachbereich Polizei zum Jahreswechsel favorisierte er eine andere Lösung: Künftig sollten die DozentInnen und ProfessorInnen die Studiengruppen als „Aufsichtspersonen“ auf auswärtigen Seminaren begleiten, um Negativschlagzeilen zu vermeiden.

Die Lehrkräfte lehnten kategorisch ab. Schließlich handele es sich nicht um schwer erziehbare Kinder, sondern um erwachsene Menschen, die meist bereits seit Jahren im Polizeidienst tätig seien. Auch bei den Studierenden stießen die Woydt'schen Überlegungen auf Empörung, so dass sich der Polizeipräsident auf Druck der Gewerkschaften in der April-Ausgabe des Polizei Journals genötigt sah, dem Ganzen offiziell eine andere Interpretation zu geben. Die begleitenden DozentInnen hätten natürlich keine Aufpasserfunktion, sondern sollten die pädagogischen Inhalte der Seminare überprüfen.

Tatsächlich hatte sich Woydt längst eine andere Variante ausgedacht. Er möchte nun die PraxisanleiterInnen in den Polizeidirektionen, der Bereitschaftspolizei und beim Landeskriminalamt verpflichten, die das Studium ihrer NachwuchsbeamtInnen begleiten. Denn die ranghohen Beamten seien ohnehin weisungsgebunden und hätten quasi eine „Vorgesetztenrolle“. „Erst mimt Woydt den Polizeikasper und dann spielt er noch den Lügenbaron“, frotzelt ein Polizeioffizier, der nun gespannt ist, wie der neue Innensenator mit dem Komplex umgeht.

Denn durch die Verkürzung der Ausbildung durch Vorgänger Hartmuth Wrocklage ist das Niveau der Ausbildung an der Fachhochschule ohnehin rapide gesunken. Grundlagen-Kenntnisse wie Ethik, Grundgesetz, Recht oder Demokratieverständnis kämen zu kurz, wird intern kritisiert. Daher seien die Vorfälle von Sambachshofen nur die Spitze des Eisberges, berichten Insider, Hakenkreuzschmiererei an Tafeln von Hörsälen nur ein Indiz, dass etwas nicht stimmt. „Nach den Einsparungen ist das verbliebene Geld für das Studium reine Verschwendung“, sagt ein Pädagoge, „dann kann man sie auch gleich zum Kommissar befördern“. Ein Kriminalist warnt sogar: „In ein paar Jahren werden die Auswirkungen erst krass deutlich, wenn das Gros von Vollzugsbeamten von Grund- und Bürgerrechten keinen blassen Schimmer mehr hat.“