„Die Party gegen rechts geht weiter“

Die Initiative „Exit“ hilft rechten Skins und Neonazis beim Ausstieg aus der braunen Szene. Die Einrichtung findet Zuspruch, und der Udo freut sich

Rechtsradikalität ist wie Drogenabhängigkeit: Wer raus will aus der Szene, muss ein ganz neues Leben anfangen. Davon sind sowohl Udo Lindenberg als auch der Chefredakteur des Stern, Andreas Petzold, überzeugt. Sie finanzieren das Projekt „Exit“ mit, das Skinheads beim Ausstieg aus dem Glatzenmilieu helfen soll. Gestern stellten die Exit-Initiatoren ihre Arbeit auf einer Pressekonferenz in Berlin vor. Gleichzeitig zogen Udo und Rolf Stahlhofen, einer der „Söhne Mannheims“, Bilanz ihrer Hip-Hop-Tournee gegen rechts durch sechs ostdeutsche Städte. Fazit: Es ist alles fantastisch gelaufen. Auch die Exit-Mitarbeiter können bereits eine erste Zwischenbilanz ziehen. Seit das Projekt im Herbst letzten Jahres startete, meldeten sich 56 Skins bei der Initiative. 14 sind mit ihrer Hilfe aus der Szene ausgestiegen. Die meisten Kontaktsuchenden kamen aus den alten Bundesländern. Sieben Rechtsradikale, die zurzeit im Gefängnis sitzen, wendeten sich an das Projekt. „Sie wollen sich mit ihren Taten auseinander setzen“, meint Exit-Initiator Bernd Wagner.

Ein Mitarbeiter von Exit kennt die Schwierigkeiten des Ausstiegs aus eigener Erfahrung: Matthias Adrian war selbst von 1998 bis 2000 NPD-Mitglied. „Ich hatte an die Kapitalverschwörung des Weltjudentums geglaubt“, erzählt er. Im Sommer 1999 beteiligte er sich an der Schändung der Synagoge in Worms.

Als seine Freundin sich gegen die Szene auflehnte, kamen auch ihm Zweifel. Innerhalb weniger Tage sei ein Weltbild zusammengebrochen, das ihn seit seinem 14. Lebensjahr geprägt habe, berichtet er. Adrian bekam Schuldgefühle. „Ich habe oft Reden gehalten, bei Sonnenwendfeiern und so. Vielleicht haben daraufhin manche Anschläge gemacht?“, fragt er sich heute.

Seit diesem Jahr hat er Kontakt zu Exit. Die Mitarbeiter ermöglichten ihm einen Umzug aus der alten Wohnung, die seinen ehemaligen Kameraden bekannt war.

Adrian arbeitet jetzt im Bereich für politische Bildung des Projekts, hält Vorträge in der rechten Szene und berichtet von der eigenen Erfahrung.

Finanzielle Unterstützung vom Staat bekommt Exit bisher nicht. Der Verfassungsschutz rief Anfang des Jahres selbst ein Aussteigerprogramm für Rechtsextremisten ins Leben. Die Beamten sprechen die Skins dabei direkt an. Das hält Adrian für Unsinn. „In der geschlossenen Weltanschauung der Nazis ist der Staat eh der Feind. Da kommt keiner vom Verfassungsschutz ran, erst recht nicht mit Geld“, schätzt er. Exit setze deshalb darauf, selbst von Skins angesprochen zu werden, die die Nazi-Ideologie bereits infrage stellen.

Um Initiativen wie Exit weiter unterstützen zu können, rockt Udo auch in Zukunft gegen rechts. „Unser Kampf geht weiter, unsere Partys gehen weiter“, kündigte er gestern an und wackelte dabei durchgehend mit dem obligatorischen Borsalinohut.

Im Oktober will er eine neue Tournee starten mit polnischen und tschechischen Bands in Frankfurt an der Oder.

ANTJE LANG-LENDORFF

Exit-Kontakt: Tel. 01 71-7 13 64 52