„Nur das kleinste Rad am Wagen“

Anklageerhebung gegen den Fußballtrainer Christoph Daum wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz

Wäre da nicht dieses komische weiße Pülverchen, einige Dinge hätten sich erheblich anders abgespielt in den letzten Tagen. Bayer Leverkusen zum Beispiel wäre vermutlich als Vizemeister nach Amerika gereist und vielleicht hätte beim 3:4 gegen die Columbus Crew am Dienstag sogar schon der neu verpflichtete Coach Berti Vogts auf der Bank (oder der Tribüne) gesessen. Christoph Daum wiederum wäre nicht erst am späten Abend als Gast bei Biolek auf der Mattscheibe in erster Reihe erschienen, sondern schon vorher in permanenter Großaufnahme als Hauptdarsteller beim Länderspiel gegen die Slowakei, das sein erstes als vollamtlicher Bundestrainer gewesen wäre. Besiktas Istanbul wiederum würde wahrscheinlich von Erich Ribbeck oder so trainiert.

Kokainbedingt kam jedoch alles anders. Berti Vogts war schon Trainer in Leverkusen und unbestätigten Gerüchten zufolge ermittelt gegen ihn inzwischen die Bundesanwaltschaft wegen Bildung einer als Übungsleiterkollektiv getarnten kriminellen Vereinigung. Offiziell bestätigt ist hingegen seit Dienstag: Die Staatsanwaltschaft in Koblenz hat gegen Christoph Daum, mittlerweile Trainer bei Besiktas Istanbul, Anklage wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz erhoben. Was die hirnrissige Haaranalyse, zu der sich der ehemalige designierte Bundestrainer vom boshaften Bayern-Kontrahenten Uli Hoeneß im letzten Oktober treiben ließ, nahe legte, ist jetzt aktenkundig: In 63 Fällen soll Daum in den Jahren 1999 und 2000 Kokain von einem Dealer gekauft und sich auch der Anstiftung schuldig gemacht haben, indem er die Beschaffung von 100 Gramm des Stoffes in Auftrag gab. Insgesamt habe der 47-Jährige mindestens 30.000 Mark für Kokain ausgegeben. Besitz, Handel und die Herstellung von illegalen Drogen werden nach deutschen Gesetzen mit bis zu fünf Jahren Haft oder einer Geldstrafe geahndet.

„Ich habe jahrelang gute Arbeit geleistet und war doch kein durchgeknallter, kranker und realitätsferner Junkie“, hatte Christoph Daum auf einer Pressekonferenz nach seiner spektakulären Rückkehr aus den USA am 12. Januar erklärt. Dorthin hatte er sich abgesetzt, nachdem die stark positive Haaranalyse, die er – offenbar medizinisch falsch beraten – freiwillig vornehmen ließ, seine sofortige Entlassung in Leverkusen zur Folge hatte. Jetzt erklärte er, er sei „nur nur das kleinste Rad am Wagen“ gewesen und gehe davon aus, „dass das Verfahren eingestellt wird“. Zumindest lässt sich angesichts der aktuellen Beweislage jedoch sagen, dass seine Behauptung vom Januar, es habe sich bei seinem Kokainkonsum um „gelegentliche Einnahmen im privaten Bereich“ gehandelt, doch etwas großzügig gefasst war.

„Bundestrainer bleibt mein Lebenstraum“, hatte Daum nach seiner Rückkehr bekräftigt und nicht ausgeschlossen, doch noch eines Tages das Amt zu übernehmen, das ihm nach der verkorksten EM 2000 von der deutschen Öffentlichkeit und maßgeblichen Funktionären förmlich aufgedrängt worden war. Spätestens, als er danach einen Werbevertrag mit dem Energiekonzern RWE über 10,2 Millionen Mark abschloss, schien Christoph Daum auf dem Gipfel angekommen zu sein. Nur eines hatte er außer Acht gelassen: Einem Schneemann bekommt es nicht, wenn er zu nahe an die Sonne gerät. MATTI LIESKE