Appell an Multis

amnesty international sieht in der Globalisierung einen Hauptgrund für Menschenrechtsverletzungen

BERLIN taz ■ Was hat das gute Land USA mit den bösen Ländern China, Iran und Saudi-Arabien gemeinsam? Der Jahresbericht 2001 von amnesty international gibt darauf eine Antwort: Allein 88 Prozent der 1.457 Hinrichtungen fanden im vergangenen Jahr in diesen vier Ländern statt.

Seit der Gründung der Menschenrechtsorganisation am 28. Mai 1961 hat sich in Sachen Todesstrafe jedoch etwas getan: Bis Ende 2000 hatten 75 Staaten die Todesstrafe komplett abgeschafft und 20 weitere Länder haben seit zehn Jahren keine zum Tode Verurteilten mehr hingerichtet, obwohl bei ihnen die Todesstrafe formal noch existiert.

Der gestern in Berlin vorgestellte Bericht zeigt allerdings, dass amnesty international auch in den nächsten Jahren viel zu tun haben wird. In 149 Staaten wurden im vergangenen Jahr die Menschenrechte verletzt. Auch in Deutschland prangert die Organisation Vergehen an – dokumentiert sind Misshandlungen von Minderheiten durch Polizeibeamte. In Europa sind es ansonsten vor allem ehemals kommunistische Länder, denen amnesty Folter und Misshandlungen von ethnischen Minderheiten und Oppositionellen vorwirft.

Anlässlich ihres 40-jährigen Bestehens hat die Organisation auch untersucht, wie sich Menschenrechtsverletzungen seit den 60er-Jahren verändert haben. Täter sind demnach nicht mehr ausschließlich Staatsbedienstete und Regierungsangestellte, sondern auch Privatpersonen wie Familienmitglieder oder Arbeitgeber. Bewaffnete Oppositionsgruppen und paramilitärische Einheiten treten dem Bericht zufolge ebenso die Menschenrechte mit Füßen.

Einen Grund dafür sieht amnesty in der Globalisierung, wie Barbara Lochbihler, Generalsekretärin der deutschen Sektion, erklärt: „Sie wird begleitet von Verschuldung, Armut und zunehmenden, polarisierenden Ungleichheiten. Die berechenbare Folge der wachsenden Armut ist die parallele Zunahme von Menschenrechtsverletzungen.“

Deswegen ruft die Menschenrechtsorganisation in diesem Jahr nicht nur Staaten, sondern auch verstärkt internationale Unternehmen und Institutionen, wie die Weltbank, zum Handeln auf. Ein besonderer Einsatz für die Menschenrechte wird von den Konzernmultis gefordert, die in Ländern angesiedelt sind, die für ihre massiven Menschenrechtsverletzungen bekannt sind.

Mit dieser Lobbyarbeit hat amnesty schon im vergangenen Jahr bei internationalen Diamantenherstellern und -händlern angefangen. Ziel war es, durch ein Kontrollsystem zu verhindern, dass weiter Diamanten aus dem afrikanischen Bürgerkriegsland Sierra Leone gehandelt werden. ULRIKE KLODE