Kleine Buße für großen Reibach

EU-Kommission brummt VW 62 Millionen Mark Bußgeld wegen Verstoßes gegen den Wettbewerb auf. Die Autobauer hatten die Händler gezwungen, Wagen nicht unter Listenpreis zu verkaufen, und damit 1,6 Milliarden Mark mehr eingenommen

aus Brüssel DANIELA WEINGÄRTNER

Die EU-Kommission hat gestern ein Bußgeld von 31 Millionen Euro gegen den VW-Konzern verhängt. Das Unternehmen habe gegen europäisches Wettbewerbsrecht verstoßen, erklärte Michael Tscherny, der Sprecher von Wettbewerbskommissar Mario Monti, in Brüssel.

In den Jahren 1996 und 1997 hatte VW seine Händler schriftlich angewiesen, „Preisdisziplin“ zu üben und den neuen Passat nicht unter Listenpreis zu verkaufen. Wer sich nicht daran halte, müsse damit rechnen, dass sein Händlervertrag vorzeitig aufgelöst werde. Dadurch sei der Entscheidungsspielraum der Kunden eingeschränkt worden, denn, so Tscherny: „Der Preis, wie wir alle wissen, ist ein entscheidender Faktor bei der Kaufentscheidung.“ Bei der Höhe des Bußgelds sei erschwerend hinzugekommen, „dass VW die Händler aufgefordert hat, Konkurrenten zu denunzieren, die die Preisabsprache nicht einhalten“. Tatsächlich hatte VW in einem Rundbrief verlangt, dass die Händler Fotokopien an den Konzern schicken, wenn sie bei anderen Händlern Rabattangebote sehen.

Dennoch ist der Konzern günstig davongekommen, rechnete der Sprecher vor: Da der Rabatt nach VW-Angaben durchschnittlich 10 Prozent des Listenpreises betrage, ein Passat etwa 40.000 DM gekostet habe und in den fraglichen Jahren 400.000 Passat verkauft worden seien, sei den Verbrauchern ein Schaden von 1,6 Milliarden Mark an entgangenen Rabatten entstanden. Da diese nicht gewährten Rabatte für VW als Mehreinnahmen zu Buche schlagen, scheint das nun festgesetzte Bußgeld von knapp 62 Millionen Mark vergleichsweise gering.

Der Chefsprecher der EU-Kommission, Jonathan Faull, betonte allerdings, das Bußgeld solle abschrecken, nicht aufrechnen. Die Hauptwirkung liege ohnehin im Imageschaden für das Unternehmen. Das Bußgeld sei angemessen, wenn man Schwere und Dauer der Vertragsverletzung berücksichtige. Es sei nur ein Modell aus der VW-Produktpalette betroffen gewesen sei. Der Passat habe allerdings einen hohen Marktanteil und die Preisabsprache beziehe sich auf das Land mit dem größten Käufer- und Verkäufermarkt für PKW in der EU.

Mit dem gestrigen Tag hat es der VW-Konzern schon zum zweiten Mal auf die Bußgeld-Hitliste der EU-Kommission geschafft. Nach wie vor halten die Wolfsburger Platz eins mit einem Bußgeld von 200 Millionen Mark, das allerdings im Sommer 2000 vom Europäischen Gerichtshof auf 176 Millionen Mark herabgesetzt wurde. Derzeit läuft das zweite Berufungsverfahren, da VW auch die reduzierte Buße nicht akzeptiert. Damals hatte die Kommission beanstandet, dass VW seinen Händlern untersagte, das Preisgefälle zwischen Italien und Deutschland zu nutzen. Da einzelne VW-Modelle in Italien billiger angeboten werden, hatten die Händler die Wagen reimportiert und die Preisdifferenz an die Verbraucher weitergegeben. Diese Praxis versuchen auch andere Autobauer zu unterbinden. Die Kommission ermittelt derzeit gegen DaimlerChrysler, die entsprechende Untersuchung der Generaldirektion Wettbewerb steht vor dem Abschluss. Gegen die französischen Händler Renault und Citroën/Peugeot ermittelt die Kommission ebenfalls.

Die abschreckende Wirkung, auf die die Kommission bei ihren Bußgeldern setzt, hält sich also in Grenzen. Das Beispiel VW zeigt, dass sich die Berufungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof Jahre hinziehen, bevor die Unternehmen wirklich zahlen müssen. Auch gegen die gestern verhängte Entscheidung will VW vor den Europäischen Gerichtshof ziehen.