dienstrechtsreform
: Karriere statt Buckeln

Dieses Bild kennt fast jeder, der ein deutsche Hochschule besucht hat: Vorneweg der schon etwas tatterige Herr „Universitätsprofessor“ auf dem Weg zum Hörsaal; hinterdrein ein eifriger Assistent, beladen mit Folien und Kopien, das Haupthaar schrumpft schon deutlich, der Herr Doktor, oder wie man so schön sagt: ein Schüler von . . .

Kommentarvon CHRISTIAN FÜLLER

Die Freiheit von Forschung und Lehre war für die meisten dieser Assis ein Hohn. Nicht die Professoren, sondern sie schrieben die Gutachten, verfassten die Aufsätze, unterrichteten – und bezahlten dafür mit nächtlichen Überstunden, um die Habilitation endlich fertig zu schreiben.

Wenn alles gut geht, dürfen wir uns von diesem Bild verabschieden. Die Regierung hat gestern eine Reform des fast 200 Jahre alten Dienstrechts beschlossen, die die Habilitation abschafft. Der Assi der Zukunft könnte also bald Juniorprofessor sein – ein selbstbewusster Charakter, keine gebrochene Persönlichkeit.

Keine frustrierten Habilitierten würden die Unis mehr bestimmen und vor allem keine Profs, die, sobald sie den begehrten Titel haben, für die lange, entbehrungsreiche Zeit des Buckelns sich sogleich schadlos halten – und die Zahl der Sprechstunden auf null senken. Und schon erscheint die Universität nicht mehr als zähes, geschlossenes System, sondern als fröhlicher Ort des Austauschs von Ideen – als Sprungbrett für Personen, die sie als Chance begreifen, sich weiter zu qualifizieren.

Leider gibt es kein Bild, auf dem nicht irgendwo in der Ecke oder in der zweiten Schicht das Vergangene hervorschimmert. Diesmal sind es die Professoren mit ihren garantierten Gremienmehrheiten, die wahlweise das Verfassungsgericht oder die FAZ anrufen, wenn es an ihre Pfründen geht. Allein in ihren Händen liegt es nun, den bedeutendsten akademischen Kulturwandel seit Wilhelm von Humboldt umzusetzen: Gesetzgeber und Kultusminister können nur den Rahmen zimmern.

Die Professoren als die autonomen Chefs der Berufungskommissionen müssen das Bild zu Ende komponieren. Indem sie das neue Dienstrecht nicht wieder unterlaufen und unter der Hand nur Habilierte auswählen, sondern, sobald das Gesetz fertig ist, Juniorprofessoren berufen. Nur die Professoren können den Muff von 1.000 Jahren unter den Talaren austreiben, an dem so viele 68er erstickten. Es ist Zeit für einen akademischen Wandel.

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