The last Fake

■ Im Kino: „John Lurie and the Lounge Lizards in Berlin“ von Garrett Linn

Live-Auftritte haben eine ganz eigene Dramaturgie, die sich nicht auf andere Medien übertragen lässt. Deshalb ist es eine wirklich knifflige Angelegenheit, einen guten Konzertfilm zu machen, und gelungen ist dies bisher nur Martin Scorsese („The Last Waltz“ und „Woodstock“) und Jonathan Demme („Stop making Sense“).

Nun kann man mit einem Dilemma sehr einfach und energiesparend umgehen, indem man es einfach ignoriert. Der Regisseur Garret Linn kümmerte sich überhaupt nicht darum, wie und ob Konzert und Film zusammenpassen könnten. 1992 ließ er ganz simpel drei Kameramänner ein Konzert im Berliner „Quartier Latin“ von „John Lurie and the Lounge Lizards“ abfilmen und fügte ihre Aufnahmen so zusammen, dass er für jeden gespielten Ton ein synchrones Bild hatte. Von Schnitt kann man da kaum noch sprechen, denn er ließ die Zeitachse unangetastet: Man sieht das Konzert in Echtzeit. Und das ist dann doch sehr ermüdend. Filmisch tendiert „John Lurie a.t.L.L.i.B.“ also gegen Null – aber war denn jedenfalls das Konzert in Ordnung?

John Lurie gründete mit seinem Bruder Evan in den frühen 80er Jahren eine „Fake-Jazz-Band“, und schon am Titel „The Lounge Lizards“ konnte man erkennen, dass hier ein Meister der Attitüde am Werke war. Lurie hatte gerade ein paar Stunden Saxophonunterricht hinter sich, Arto Lindsay malträtierte seine Gitarre, und der dreckige, bewusst amateurhafte Stil der Band entsprach genau dem Zeitgefühl. Zehn Jahre später war alles anders: Nach einigen anderen brillanten Karriereschritten (wie dem Film „Down by Law“) war John Lurie ein Star, und die Lounge Lizards hatten ihre Lehr- und fake-Jahre längst hinter sich. Lurie konnte inszwischen ganz passabel Saxophon spielen, auch wenn er eigentlich mit jedem Solo nur ausdrücken wollte, wie sexy er mit dem Horn im Mund doch wirkte.

Die Band war voller junger, hungriger Jazzmusiker, die ihr nicht unbeträchtliches Bestes gaben, und so war dieser Auftritt in den frühen 90er Jahren wohl ein musikalischer Höhepunkt der Band. Sie trat damals auch in der Bremer Schauburg auf, und ich erinnere mich, dass viele im Publikum irritiert und enttäuscht waren, denn sie hatten den Kultstar John Lurie mit seiner Jazzschwindelkapelle erwartet, und nun mutete der ihnen durchaus anspruchsvolle Jazz im Stil der „Sixties Avandgarde“ zu.

Solch einen grundsoliden, und auch jetzt nach zehn Jahren noch gut hörbaren Jazz bietet also der Film. So ist dies ein durchaus interessantes Zeit- und Musikdokument. Aber einen Film mag man es kaum nennen. Wilfried Hippen

Heute bis Sonntag jeweils um 22.30 Uhr im Kino 46