DIE SOLIDARITÄTSREISE FÜR DAS IRAKISCHE VOLK HILFT VOR ALLEM SADDAM
: Naive Stützen des Regimes

Das Thema Irak löst weit gehend Hilflosigkeit aus. Als die USA Anfang der Neunzigerjahre Kurden und Schiiten zum Aufstand gegen Saddam Hussein aufstachelten und dabei scheiterten, war es für sie nur peinlich – viele Kurden und Schiiten jedoch starben. Da seither niemandem so recht einfällt, wie dem „Schlächter von Bagdad“ zu Leibe gerückt werden könnte, werden die Sanktionen gegen das ganze Land aufrechterhalten. Billigend oder auch zunehmend missbilligend – wie man etwa an den UNO-Debatten über die Sanktionen kürzlich sehen konnte – wird dabei in Kauf genommen, dass das Embargo in erster Linie das irakische Volk trifft und zu einer Absetzung des Diktators nichts beiträgt – im Gegenteil: Der Druck von außen ist zumeist vorteilhaft für die Demokratieverhinderungsmaschinerie.

Ein weiteres Dilemma ist, dass bei genauerer Betrachtung vielleicht gar kein so großer Unterschied auszumachen ist zwischen dem Regime im Irak und dem im Iran und dem in Saudi-Arabien – jedenfalls kein so himmelweiter Unterschied, der rechtfertigen könnte, dass mit den einen regulärer Handel betrieben wird und der andere als Schurke vom Dienst herhalten muss. Wenn man aber darüber nachzudenken begänne, wohin man geriete, wenn man gegen alle undemokratischen Regime, sagen wir nur im Nahen Osten, Sanktionen verhängen würde (fein abgestuft natürlich) –, man müsste eine völlig neue politische Landkarte zeichnen, mit zweifelhaften Ergebnissen.

Die Forderung, das Embargo gegen den Irak zu beenden, ist aufgrund der bisherigen Erfahrungen völlig berechtigt. Es ist auch zu begrüßen, wenn die Öffentlichkeit – etwa durch spektakuläre Aktionen – auf diese Notwendigkeit aufmerksam gemacht wird. Doch wenn eine Gruppe auf Kosten des irakischen Volkes in Bagdad Sightseeing betreibt, dann geht es wohl weniger um eine humanitäre Aktion als um eine Stützung des Regimes. Hinter dieser „Solidaritätsaktion“ steckt im besten Falle Naivität. Im schlimmeren ein perfides politisches Spiel mit dem Hunger in Bagdad.

ANTJE BAUER