Gasprom unter Kuratel des Kreml

Der Chef des russischen Gasgiganten, Rem Wyachirew, muss seinen Platz räumen. Mit diesem Schritt will Präsident Wladimir Putin mehr Transparenz in die undurchsichtigen Strukturen bringen. Doch Beobachter bezweifeln, dass dies wirklich gelingt

aus Moskau KLAUS-HELGE DONATH

Die Börsen in Moskau und London reagierten sofort. Kaum war ruchbar geworden, dass an der Spitze des russischen Gasgiganten Gasprom ein Wechsel vollzogen werde, legten die Aktienwerte des weltweit größten Gaslieferanten zwischen 5 in Moskau und 10 Prozent in London zu.

Der Verwaltungsrat des Unternehmens entschied am Mittwoch einstimmig, den gestern auslaufenden Vertrag des Gasprom-Chefs Rem Wyachirew nicht zu verlängern. Die Leitung des Konzerns übernimmt der präsidententreue und bisherige Vize-Energieminister Alexej Miller.

Die Absetzung Wyachirews war von Kremlchef Putin lange vorbereitet worden. Versuche, den skandalumwitterten Funktionär aus dem Sessel zu hieven, scheiterten an der engen Verflechtung von Politik und Macht. Dass es nun gelang, werten Beobachter als Beweis, dass Putin die Reform des Gasmonopolisten ernsthaft angehen will.

Mit 38 Prozent Beteiligung ist der Staat größter Anteilseigner des Unternehmens, aus dessen Einnahmen ein Viertel des russischen Staatshaushalts bestritten wird. Zwar hat der Rohstoffkonzern eine Schlüsselrolle in der russischen Wirtschaft, von einer Schrittmacherfunktion kann jedoch nicht die Rede sein. Unter der Ägide Wyachirews ging nicht nur die Produktion dramatisch zurück, auch das Image litt erheblich unter Korruptionsvorwürfen und Missmanagement.

Boris Fjodorow, Exfinanzminister und zurzeit Vertreter westlicher Aktionäre im Gasprom-Aufsichtsrat, bezichtigte die Unternehmensführung im April, über eine „Diebstahllizenz“ zu verfügen. Fjodorow wies nach, dass Wyachirew und Expremier Wiktor Tschernomyrdin aus dem Vermögen erhebliche Werte abgezweigt und einträgliche Geschäfte mit Unternehmen abgeschlossen hatten, die ihren Kindern oder Verwandten gehörten. Den Aktionären gingen laut Fjodorow jährlich 6 Milliarden Mark durch die Lappen.

Im Zusammenhang mit seinen Reformplänen ließ Putin bereits im April durchblicken, dass er die Strukturen Gasproms transparenter machen wolle. Auch sollte auch das bisher geltende Limit ausländischer Beteiligungen von 12 auf 20 Prozent erhöht werden.

In Politikerkreisen wurde der Wechsel mit verhaltener Skepsis aufgenommen. Boris Nemzow, Chef der wirtschaftsliberalen Partei Union der Rechtskräfte (UdR) meinte: „Wyachirews Entlassung ist ein verspäteter Schritt, der für Russland aber wichtiger ist als ein Regierungswechsel.“ Zumindest sollten die Geschäftspraktiken des Unternehmens klarer und transparenter werden. Nemzow wertete die Aussichten auf Besserung mit Vorsicht: Ein bisschen weniger Diebstahl und Korruption innerhalb Gasproms seien nun drin.

Der lautlose Abgang des Chefmanagers scheint auf einem Deal mit dem Kreml zu beruhen. Wyachirew räumte den Sessel, verlässt aber nicht den Konzern. Ende Juni könnte er zum Chef des Aufsichtsrats gewählt werden. Strafrechtliche Konsequenzen hätte er nicht zu fürchten.