Die Wärmflasche

Marilyn und der Alkohol: Gesellschaftsfähig mit Martinis

Sie trank, immer wieder, später viel. Als Showgirl, als blondes Dummchen, als depressive Ukulele-Spielerin und, ganz zuletzt, als geschiedene Frau mit Depressionen. So zumindest sah man Marilyn Monroe im Film. Vielleicht war es am Anfang nur der Übermut der Nachkriegszeit, der Wunsch nach einer Rückkehr zum Glamour der Zwanzigerjahre; vielleicht sollte bloß ein neuer Frauentypus in Hollywood kreiert werden – rauschbegeistert, aber trinkfest, so wie Wodka-Martini der Pausendrink des amerikanischen Traums war; für Monroe wurde dieser Traum zur Realität of no return – zum Bildnis einer Trinkerin.

Schon 1953 durfte sie in „How to Marry a Millionaire?“ als halb blinde Pola Debevoise an der Seite von Lauren Bacall feiern, mit Champagner. Das war ein Zeichen für die Eroberung der Welt der Reichen, die am Ende des Films jedoch für alle Frauen – außer Bacall – unerreichbar bleibt. Zwei Jahre später hatte man Monroe in den Studios aber die Rolle der lustigen, erst bei Alkohol auftauenden Blondine verpasst. Billy Wilder wollte es so: In „The Seven Year Itch“ ließ sie sich ein Bierglas voll Gin und Martini mixen, und der Strohwitwer im Parterre schenkte ihr begierig ein. Selbst für das Rendezvous mit Laurence Olivier in „The Prince and the Showgirl“ 1957 musste sich Monroe in Stimmung trinken. Und in „Some Like It Hot“ ist Sugar Kane schon so sehr Säuferin, dass sie gleich zu Beginn aus dem Frauenorchester fliegen soll – wäre da nicht Jack Lemmon, der als Daphne für Monroe den Schnaps bunkert. Dafür macht sie wunderbare Manhattans aus Whisky und Vermouth, in der Wärmflasche geschüttelt.

Die Rolle hat ihr nicht gefallen. Statt verkatert als Sugar Kane in Wilders Transvestitenkomödie herumzualbern, wäre sie 1959 lieber die Architektin an Rock Hudsons Seite in „Pillow Talk“ gewesen. Doch da galt sie bereits als schwierig, unzuverlässig und launisch. Deshalb wurde Doris Day für die Rolle genommen, die Monroe geholfen hätte, auszusteigen aus dem Image der eroberungswilligen Bastion namens Weiblichkeit. Dafür ließ sie Wilder mitsamt der Crew leiden – dutzende Male musste genau die Szene gedreht werden, in der Monroe von der Liebe enttäuscht zur Flasche greift.

Am Ende blieb ihr die Marilyn, wie John Huston sie in „The Misfits“ sah: Ausschweifend beim Tanz, mit einem Bourbon in der Hand. Gestorben ist sie dann sehr nüchtern. An Tabletten, ohne einen Tropfen Alkohol.

HARALD FRICKE