Spurensuche hautnah

Geschichte zum Anfassen: „Arbeit und Leben“ veranstaltet Workcamp für junge Frauen im ehemaligen Mädchen-KZ Uckermark  ■ Von Elke Spanner

Swing-Musik zu hören war nicht nur eine Leidenschaft. Es war auch ein großes Risiko. Wer im Nationalsozialismus den verbotenen Klängen lauschte, galt als „verwahrlost“ und wurde aus der „Volksgemeinschaft“ ausgestoßen. Mädchen, die dabei ertappt wurden, kamen nach Ostbrandenburg in das „Jugendschutzlager“ Uckermark, das einzige KZ, das die Nazis nur für Mädchen errichtet hatten. Dort bietet „Arbeit und Leben“ Ende Juni „Geschichte zum Anfassen“: In einem Workcamp können sich junge Frauen zwischen 16 und 30 Jahren auf die Spuren der Inhaftierten begeben.

Das Beispiel der Subkultur liefert nicht den einzigen Grund, aus dem Mädchen während der NS-Zeit aus ihrer Familie herausgerissen und in das „Jugendschutzlager“ gesteckt wurden. Als Garantinnen einer nationalsozialistischen Zukunft wurden sie nach ihrer Verwertbarkeit im Sinne der Ideologie eingeteilt und ausgesondert, wenn sie als „asozial“ oder „kriminell“ galten. Viele wurden interniert, weil sie Liebesbeziehungen zu Männern aus besetzten Ländern hatten. Andere, weil sie aus oppositionellen Familien stammten oder die Eltern Alkoholiker waren. Die 19-jährige Irmgard W. kam 1944 in die Uckermark, weil ihr eine „leichte Veranlagung, ihre Leidenschaft für Kinobesuch“ vorgeworfen wurde.

In der Seminarbeschreibung von „Arbeit und Leben“ aber taucht die Subkultur der Swing-Jugend auf, weil Subkulturen auch heute zum Alltag von Jugendlichen gehören. Und diesen Geschichte nahezubringen, so die Veranstalterinnen, sei nur über einen Bezug zu ihrem eigenen Leben möglich: „Über die Familiengeschichte oder Themen wie Beziehung, Freizeit und Subkultur“. Deshalb bietet der Träger „Arbeit und Leben“ die Seminarreihe „erlebnisorientierte Weiterbildung“, in deren Rahmen auch das Workcamp in der Uckermark veranstaltet wird: Statt Mädchen und Jungen mit Vorträgen zu bedröhnen, schreiten jene zur Tat und erarbeiten sich ihr Thema selbst.

So werden sich die Teilnehmerinnen nach einer Einführung auf die Spuren der Mädchen begeben, die damals als unangepasst galten und inhaftiert wurden. In den „Fürsorgeakten“ der Kripo werden sie nachlesen, weswegen die Gefangenen in das „Jugendschutzlager“ kamen. Bei Rundgängen über das Gelände soll ein Bild vom dortigen Leben entstehen. Ergänzt wird das durch Gespräche mit einer damaligen Gefangenen aus Slowenien, die das Seminar alle drei Tage begleiten wird. Um den Vergleich mit ihrer eigenen Lebensrealität zu ermöglichen, werden sich die Teilnehmerinnen mit der Biographie einzelner inhaftierter Mädchen befassen.

Die Frauen sollen ihre Eindrücke anschließend nicht nur mit nach Hause nehmen, sondern auch diskutieren, wie diese anderen BesucherInnen des Geländes vermittelt werden können: Wenn wir eine Gedenkstätte für die Gefangenen errichten würden, so lautet die Frage zum Abschluss des dreitägigen Seminars, wie würden wir diese gestalten?

Seminar vom 27.-29. Juni. Kos-ten: 30 Mark für Übernachtung, Verpflegung und Programm. Anmeldung bei Arbeit und Leben, Besenbinderhof 60, 20097 Hamburg. Tel.: 28 40 16 13 oder 28 40 16 33. Email: jens.schmidt@hamburg.arbeitundleben.de