Kunstrasen und Krepppapier

Für einen Wagen beim Christopher-Street-Day mussten sie hart arbeiten: Aber die Junglesben wollen kein Fußvolk mehr sein  ■ Von Michaela Soyer

An der Wand lehnen gebogene Sperrholzplatten in Regenbogenfarben. „Auch wenn es im Augenblick nicht so aussieht, der Regenbogen soll sich über unseren ganzen Wagen spannen.“ Yvonne Chadony sitzt auf einer zum Sofa umfunktionierten Matratze und streicht ihrer Freundin durchs Haar. Jeden Dienstag ab 16 Uhr treffen sich junge Frauen in den zwei Räumen des JungLesbenZentrums in der Glashüttenstraße, trinken Kaffee, reden oder kickern. Das Filmplakat von „Aimeé und Jaguar“ hängt neben „Two Girls in Love“.

Seit Dezember plant die Gruppe ihre Aktionen zum Christopher Street Day (CSD). Für die Frauen war es wichtig, im eigenen Wagen an der Parade teilzunehmen. „Letztes Mal hatten wir keinen, und als Fußvolk sind wir gar nicht aufgefallen“, meint Yvonne. Intervention e.V., dem Träger des Zentrums, fehlte das Geld für Lkw, Gema-Gebühren und Bastelmaterial. Drei Flohmärkte und zwei Benefizpartys in der „Frauenkneipe“ haben aber in diesem Jahr so viel eingebracht, dass die jungen Lesben beim CSD auffahren können. Der Wagen soll mit selbstgebastelten Blumen aus Krepppapier und gespendetem Kunstrasen geschmückt werden.

„Es ist nicht nur fun“, sagt Yvonne: „Wir haben einmal im Jahr die Möglichkeit zu zeigen, wie vielfältig wir sind.“ Für die CSD-Parade will sich die 23-Jährige mit Body-Painting schmücken. „Wenn wir uns zeigen ist das auch eine Form von Politik“, meint sie. Für die 21-jährige Rachel Jacobsohn ist es noch etwas mehr. Sie bekennt sich zum ersten Mal öffentlich zu ihrer lesbischen Identität: „Dann muss ich es meinen Eltern sagen.“ Rachel denkt, dass der CSD von den Parteien politisch missbraucht wird. „Was bringt es uns, wenn Ortwin Runde vorne mitmarschiert?“, sagt sie. „Wir brauchen Geld, damit das JungLesbenZentrum bestehen bleibt.“ Deswegen sei es wichtig, zum CSD zu gehen und Aufmerksamkeit zu bekommen.

Und so wird der Wagen ein Plakat tragen, das auf die Spendenaffäre der CDU anspielt: „Wir unterschlagen keine Spendengelder wir brauchen sie.“ Auf der Parade wollen die Frauen Spenden für das einzige Junglesben-Zentrum Europas sammeln. Denn nur hier fühlen sie sich als etwas ganz Normales: „Woanders werden wir vielleicht akzeptiert und spannend gefunden, aber hier ist der einzige Ort, wo ich eine von vielen bin“, erklärt Miriam Löhr ihr Engagement für den Treffpunkt. „Das Zentrum ist wichtig, weil ich hier nichts erklären muss“, findet Sarah. „Ich kann sagen, das ist meine Freundin, und alle verstehen, wie es gemeint ist.“ Die Gruppe sei zur zweiten Familie geworden.

„Als ich das erste Mal da war, habe ich mich gar nicht reingetraut“, gesteht Yvonne. Mittlerweile bevorzuge sie es, unter Frauen zu sein. „Ich kann die Anmache von den blöden Machotypen nicht ertragen.“ Ungefähr 30 Frauen gehen regelmäßig ins JungLesbenZent-rum. Zum CSD bekommen sie Besuch von Junglesben aus ganz Deutschland, und am Sonntag findet in der Glashüttenstraße ein Abschiedsbrunch statt. Die Gruppe nutzt die Räume auch für selbstorganisierte Veranstaltungen wie Videoabende. „Ich weiß gar nicht, was ich machen soll, wenn ich 25 bin“, sagt Yvonne. Dann nämlich ist sie offiziell zu alt für das Jung-LesbenZentrum.

Das JungLesbenZentrum, Glashüttenstraße 2, ist dienstags von 16 bis 20 Uhr geöffnet. Mittwochs zwischen 16.30 und 18.30 Uhr ist Rede-Zeit, in der die zwei Pädagoginnen des Zentrums Rede und Antwort stehen. Telefonisch ist das Zentrum montags von 16 bis 19 Uhr und mittwochs von 14 bis 16 Uhr erreichbar unter Tel.: 430 46 24.