■ Rosi Rolands Bremer Geschichten: Frauen und Kinder zuerst!
Es gibt eine alte Kriegerweisheit: Frauen und Kinder zuerst! War der erste Mann im Staate Bremen, Bürgerschaftspräsident Christian Weber, nie ein Krieger gewesen und hat das gute alte Wort deshalb etwas falsch verstanden? Die Frage stellt sich seit dem „Vatertag“.
Und das kam so. An jenem vergangenen Donnerstag stand pünklich morgens um halb 9 Uhr eine voll besetzte Tupolew auf dem Bremer Flughafen, die lettische Gesellschaft „Let Charter“ wollte damit die erste Hälfte der Riga-Reisenden zur 800-Jahr-Feier fliegen. Mit dabei die SPD-Abgeordnete Gisela Schwarz, die Fraktionssprecherin der Grünen, Karoline Linnert, die Protokollchefin des Bremer Rathauses Birgitt Rambalski, diverse andere Bremer Prominente, eine Gruppe Jugendlicher vom Landessportbund und so weiter.
Die Maschine flog nicht nach Plan ab, der „Luftraum über Deutschland“ sei zu voll, wurde den Wartenden erklärt. Und sie warteten, ohne dass jemand darüber nachdachte, womit der Luftraum zwischen Bremen und Riga denn voll sein sollte.
Plötzlich scholl es durch das Flugzeug: „Das Triebwerk fliegt auseinander.“ Bernd Ravens, der Bremerhavener CDU-Politiker, hatte hinten aus dem Fenster gesehen und war mit diesem Ausruf nach vorne zu den Prominenten-Reihen geeilt. Ein Mann, ein Wort, und die Stimmung knisterte. Bei näherem Hinsehen ergab sich, dass ein Mitarbeiter der Fluggesellschaft auf einer Malerleiter am linken Triebwerk stand und sich dort zu schaffen machte. Ravens, soviel war sofort klar, würde da nicht mitfliegen, sollen die doch ...
Als nach zwei Stunden die Tupolew immer noch auf dem Bremer Flughafen stand und der Mann, der sich als Bord-Ingenieur entpuppte, immer nicht an dem Treibwerk herumwurstelt, da verließ die Riga-Gruppe die Tupolew, um im Flughafen-Gebäude zu warten. Und zu warten. Bis auf einen: Christian Weber, den Präsidenten. Der bekam einen Tobsuchtsanfall, beschreiben Augenzeugen die Bewegungen und die Worte des Präsidenten, „Scheiß-Organisation“ fiel, und dann verließ er den Worten. „Mit mir nicht...“, sein Gepäck möge man ihm nach Hause bringen.
Warum das? Stellen wir uns vor, der Präsident hätte sich überlegt: Mit dieser Tupolev fliege ich nicht, da sollen mal schön die Frauen und Kinder vorfliegen und ich komme mit der deutschen Lufthansa nach. Wenn Weber so gedacht hätte, dann hätte er sein Gepäck mitfliegen lassen müssen – oder wenn auch das ihm zu riskant erschienen wäre, dann hätte er es selbst mitnehmen müssen.
Wahrscheinlich hat eine schlichte Frage ihn von der Idee „Nachfliegen-mit-der-Lufthan-sa“ abgebracht: Was ist, wenn die Tupolev abstürzt, wie er ja befürchten musste, und er allein in Riga ankommt? Wie hätte das ausgesehen? Also blieb nur die Lösung, ganz in Bremen zu bleiben, die 800-Jahr-Feier Rigas musste dann eben auf den Bremer Präsidenten verzichten.
Eine andere Frage hat sich Weber aber offenbar dann doch nicht gestellt: Was, wenn die Tupolew – wie er offenbar befürchtete – abstürzt, während er mit mit seinem Sohn in Bremen an der Weser in der Sonne radelt? Hätte auch nicht schön ausgesehen, findet
Ihre Rosi Roland
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