Jachten, Holzhäuser und Hummer

City Island heißt ein lauschiger Ausflugsort, und der ist so wenig new-yorkisch, wie ein New Yorker Stadtteil nur sein kann. Die Holzhäuser werden von Generation zu Generation weitervererbt: Man bleibt unter sich

„Der Hafen der Bronx“, kündigt ein schnörkeliges Schild über der altmodischen Eisenbrücke an. Hunderte von großen und kleinen Jachten liegen links und rechts davon am Ufer. Eines der viktorianischen Holzhäuser jenseits der Brücke hat statt Erker ein halbes Fischerboot vorgebaut, und eine geschnitzte Seejungfrau prangt am Giebel wie an einem Schiffsbug. Bei vielen Häusern stehen die Haustüren offen, von dem Rahmen mit dem Moskitonetz abgesehen. Einen Block jenseits der Hauptstraße liegt zusammengerollt eine Katze mitten auf der Kreuzung und blinzelt in die Sonne. Kurz danach endet die Straße in einem winzigen Strand. Auch das ist New York.

City Island heißt dieser lauschige Ausflugsort. Das Inselchen, das vielleicht 2 Kilometer lang und 500 Meter breit ist, ist tatsächlich Teil der Bronx. Aber nichts, gar nichts, erinnert hier an die Slums, für die der Name Bronx schon fast synonym steht. Hier hat sich nur mäßig viel verändert, seit englische Siedler 1685 die Insel den Siwanoy-Indianern nahmen.

Die Siedler, wie schon zuvor die Indianer, lebten zunächst vor allem vom Muschelsammeln. Und noch heute nennen sich die gebürtigen Insulaner stolz „Clam Diggers“. Die Zugereisten bezeichnen sie abfällig als „Mussel Suckers“. Aber für den Schiffsbau war die Insel bis in die 60er-Jahre hinein berühmt. Das kleine, im alten Schulhaus untergebrachte Heimatmuseum erzählt von dieser Geschichte. Heute erinnern nur die Jachthäfen, Bootsverleihe und Antiquitätenläden, die alte Kompasse oder Bugfiguren verkaufen, daran.

Wer meint, dass die vielen Jachten auf großen Reichtum schließen lassen, irrt. Viele der vom salzigen Wind gebeizten Holzhäuser sind eher schlicht. Vielleicht ändert sich das alles irgendwann, aber das wird ein langsamer Prozess sein. „In meinem Block ist seit 35 Jahren kein Haus mehr frei geworden“, stöhnt die Immobilienmaklerin Jacqueline Kyle Kall, alt-eingesessene Insulanerin. Die Häuser werden von Generation zu Generation weitervererbt, und man bleibt unter sich. Davon, dass die Bevölkerung der Bronx mehrheitlich aus Afroamerikanern und Hispanics besteht, ahnt man nichts, wenn man hier entlangschlendert.

Einstweilen suchen die New Yorker City Island nur am Wochenende heim. Die Hauptstraße, wo sich Fisch- und vor allem Hummerrestaurants aneinander reihen, verwandelt sich kurz vor Essenszeit in einen einzigen Stau. Aber schon am Sonntagabend kehrt wieder die übliche Ruhe ein. Dann sollte man sich ein Bier in einer der Bars an der Südspitze der Insel holen, nach draußen gehen und in Richtung der Nachbarinsel blicken, wo fern die hell beleuchteten Wolkenkratzer durch den abendlichen Dunst leuchten und einen vage daran erinnern, in welcher Stadt man sich eigentlich gerade befindet. NICOLA LIEBERT