KFOR: DIE LAGE IM KOSOVO WAR IM BUNDESTAG EIN RANDTHEMA
: Ein verlogenes Mandat

Manchmal können Reden der Grünen im Bundestag noch immer richtig lustig sein, allerdings inzwischen meist eher unbeabsichtigt. Wenn Joschka Fischer und Angelika Beer im Parlament erklären, ein Auslandseinsatz „unserer Soldaten“ solle nicht für innenpolitische Auseinandersetzungen „missbraucht“ werden, dann ist das angesichts der Ursachen für grüne Wahlerfolge in der Vergangenheit einfach hinreißend komisch.

Noch erheiternder ist die Vorstellung, dass manche Strategen die Fünfprozentpartei künftig damit zum Erfolg tragen wollen, dass sie eine staatstragende Haltung ohne weitere Inhalte um ihrer selbst willen zum Programm erklären. Als ob das die Großen nicht allemal besser könnten. Den Grünen ist für die nächsten Bundestagswahlen viel Glück zu wünschen. Sie werden es brauchen.

Abgesehen davon bot die Debatte über die Zukunft des deutschen KFOR-Mandats wenig Anlass zu Heiterkeit. Fast alle Redner vermieden es sorgfältig, auf die konkrete Situation vor Ort einzugehen. Verständlicherweise. Was hätten sie auch sagen sollen? Schließlich ist die Bilanz derjenigen vernichtend, die sich vor zwei Jahren für die Luftangriffe auf Jugoslawien eingesetzt haben.

Die Nato hat damals – ob beabsichtigt oder unbeabsichtigt – für die UÇK die Funktion einer Luftwaffe erfüllt. Auch nach dem Ende der Kampfhandlungen ist es den KFOR-Truppen nicht gelungen, die albanische Rebellenbewegung zu entmachten. Die Pufferzone in der Grenzregion zu Makedonien dient inzwischen als Aufmarschgebiet für UÇK-Kämpfer und als Handelsweg für Waffen und anderes Schmuggelgut. Damit ist die Nato für die Destabilisierung Makedoniens und für die volatile Situation in angrenzenden Gebieten zumindest teilweise verantwortlich. Und nun?

Denjenigen, die in den Nato-Bombardements einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gesehen haben, bleiben vor dem Hintergrund dieser Ausgangslage – von der radikalpazifistischen Position einmal abgesehen – zwei mögliche Einschätzungen. Sie können entweder eine Haltung vertreten, die besagt, dass die Nato eine Situation gefälligst bereinigen soll, die sie – auch – mit herbeigeführt hat. Dann müssen sie einer Ausweitung des deutschen KFOR-Mandats zustimmen. Oder sie können erklären, dass sie eine solche Ausweitung für unkalkulierbar halten, solange kein überzeugendes politisches Konzept für die Entwicklung des Balkan vorliegt. Diese Ansicht liegt erstaunlich nah bei der von Karl Lamers von der CDU.

Er hat zwar gestern der Erweiterung des KFOR-Mandats ebenso wie die anderen Mitglieder seiner Fraktion zugestimmt, aber das Unbehagen daran war ihm deutlich anzumerken. Lamers war der Einzige, der es wagte den Finger auf offene Wunden zu legen: Niemand könne derzeit serbischen Flüchtlingen die Rückkehr in das Kosovo empfehlen. Was das denn hinsichtlich der Legitimität der für den Herbst anberaumten Wahlen besage? Und was geschehen solle, wenn nach diesen Wahlen die Unabhängigkeit des Kosovo gefordert werde?

Schade, dass der Eindruck großer intellektueller Redlichkeit von Lamers durch dessen eigene Parteifreunde zerstört wurde. Die stellten, ebenso wie Redner der FDP, einen Zusammenhang zwischen dem KFOR-Mandat und dem Wehretat her. Wider besseres Wissen. Man mag die Bundeswehr für unterfinanziert halten oder nicht: Für den KFOR-Einsatz, auch den erweiterten, reichen die Mittel.

Das Problem bei der Mandatserweitung liegt woanders. Zum einen ist die völkerrechtliche Grundlage wieder einmal ungeklärt. Zum anderen ist das Mandat verlogen. Schon wieder sollen deutsche Soldaten ihre Waffen nur zum Selbstschutz einsetzen dürfen. Das klingt vertraut. Bereits in Somalia hatten internationale Militärs der Plünderung von Nahrungsmitteln tatenlos zusehen müssen. Auch ihr Mandat erlaubte den Gebrauch von Waffen nur zur Selbstverteidigung. Demnächst könnten Bundeswehrsoldaten ebenso tatenlos zuschauen, wie UÇK-Kämpfer sich zum nächsten Angriff rüsten. Ist gar nichts gelernt worden?

Entweder will man die Lage im Grenzgebiet entschärfen – dann reicht auch das neue Mandat nicht. Oder man wünscht keine Verwicklung deutscher Soldaten in einen Bodenkrieg. Dann hätten die Parlamentarier der Vorlage der Bundesregierung überhaupt nicht zustimmen dürfen. In seiner jetzigen Form bedeutet das neue Mandat lediglich eine Fortsetzung des Selbstbetrugs. BETTINA GAUS