Berlusconi sucht den linken Beifall

Italiens rechter Wahlsieger hat aus seinen allzu ungestümen Anfängen 1994 gelernt. Jetzt achtet er bei der Bildung seiner neuen Regierung darauf, die Konflikte möglichst gering zu halten – mit dem Ziel, ganz schnell wirklich an der Macht zu sein

aus Rom MICHAEL BRAUN

Italiens Wahlsieger Silvio Berlusconi bereitet sich im Eiltempo auf die Regierungsbildung vor. Enervierende, wochenlange Koalitionsverhandlungen wie im Jahr 1994 soll es diesmal nicht geben. Berlusconi, der auf eine Erteilung des Auftrags zur Regierungsbildung durch Staatspräsident Carlo Azeglio Ciampi am 8. Juni hofft, möchte schon kurz darauf, am 13. Juni, als frisch vereidigter Ministerpräsident zum Nato-Gipfel nach Brüssel fahren.

So energisch der neue starke Mann sich in der Form gibt, so vorsichtig geht er in der Sache vor. Auch auf diesem Feld hat er aus seinen schlechten Erfahrungen 1994 gelernt, als sein „Pol der Freiheiten“ in Erobererpose die römischen Palazzi besetzt hatte. Im Nu hatte sich Berlusconi mit dem damaligen Staatspräsidenten überworfen, das Misstrauen der ausländischen Staatskanzleien geweckt und die entscheidenden Figuren des italienischen Großkapitals verprellt.

Diesmal scheint Berlusconi die Machtübernahme auf leisen Sohlen zu planen. Erste Hinweise, in welche Richtung es geht, gab die Wahl der Präsidenten der beiden Kammern des italienischen Parlaments am Mittwoch und Donnerstag. Neuer Präsident des Abgeordnetenhauses wird Pier Ferdinando Casini, der Vorsitzende der kleinen christdemokratischen Partei CCD, der als einer der Besonnensten im Rechtsblock gilt. In seiner Antrittsrede verneigte er sich nicht nur vor seinem Amtsvorgänger von der Linken und vor den antifaschistischen Wurzeln der italienischen Republik; er kündigte auch an, sich um „das gemeinsame Terrain des Dialogs zwischen Regierung und Opposition“ kümmern zu wollen. Stehender Applaus von der Opposition, die sich der Stimme enthalten hatte. Vorschusslorbeeren von der Linken erhielt auch der neue Senatspräsident, der Philosoph Marcello Pera von Berlusconis Forza Italia, der gleichfalls der „Versöhnung“ das Wort geredet hatte.

Bedeutender noch dürfte die mittlerweile wohl sichere Ernennung Renato Ruggieros zum Außenminister sein. Der ehemalige WTO-Präsident sorgt für Ruhe gleich an mehreren Fronten. Er genießt hohes Vertrauen im Ausland, er ist der Wunschkandidat des Staatspräsidenten – und zugleich gilt der gute Freund Gianni Agnellis als Mann des italienischen Establishments.

Ärger macht nur noch eine Personalie. Die Lega Nord – die schon auf die Präsidentschaft im Abgeordnetenhaus sowie aufs Innenministerium verzichten musste – reklamiert jetzt das Justizministerium für Roberto Maroni, den zweiten Mann hinter Parteichef Umberto Bossi. Maronis Selbsteinschätzung, er sei ein „hervorragender Rechtsanwalt“, teilt auch in der Rechtskoalition kaum jemand. Maroni ist in erster Instanz wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt verurteilt, weil er sich bei einer Hausdurchsuchung des Vorstandsbüros der Lega eine Schlägerei mit Polizisten lieferte. Zudem ermittelt die Staatsanwaltschaft Verona gegen den noch vor kurzem überzeugten Sezessionisten wegen „Anschlags auf die Verfassung und die Einheit des Staates“.