DER TRAUMPRÄSIDENT DER PERUANER IST ALEJANDRO TOLEDO NICHT
: Zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Am Ende hat die peruanische Geschichte Alejandro Toledo doch noch Gerechtigkeit widerfahren lassen. Viermal musste er in den vergangenen 14 Monaten zu Präsidentenwahlen antreten, ehe er am Sonntag endlich wirklich gewählt wurde. Es ist unbestritten, dass Toledo eine der wichtigsten Figuren im Widerstand gegen den autoritären Präsidenten Alberto Fujimori war, der dem Land von 1990 bis 2000 die Fesseln anlegte. Es war Toledo, der mit seiner Hartnäckigkeit und seiner Unnachgiebigkeit Fujimori schließlich zur Aufgabe zwang, weil es ihm gelang, woran viele gescheitert waren: Der politische Kämpfer Toledo schaffte es, dass die Menschen auf die Straße gingen und begannen, gegen Fujimori zu demonstrieren.

Dieses kämpferischen Toledo haben sich wohl viele Peruaner am Sonntag erinnert, als sie in der Einsamkeit der Wahlkabine ihr Kreuz hinter seinem Namen machten. Für seinen Kampfesmut haben sie ihm eine Reihe von Skandalen verziehen. Die Peruaner haben darüber hinweggesehen, dass sich der Kandidat Toledo permanent selbst im Weg stand. Und sie haben ignoriert, dass Toledo ein sehr dünnes politisches Programm hat, das beliebiger kaum sein kann. Politisch steht der neue Präsident also für alles oder nichts – schließlich musste Fujimoris Gegenspieler bisher bemüht sein, nirgends zu sehr anzuecken.

Bereits im Wahlkampf hat sich Toledo vom wilden Kämpfer zum angepassten Oportunisten gewandelt. Auf konkrete Fragen antwortete der Kandidat grundsätzlich mit Allgemeinplätzen – ein Prozess, der sonst erst nach der Amtsübernahme einsetzt. Angesichts dessen kann kaum verwundern, dass hinter der Wahlentscheidung bei vielen Peruanern kaum die Überzeugung stand, dass Toledo ihr Wunschpräsident ist. Vielmehr stellt der Wahlsieger eine typische „Besser als“-Option dar – das definitiv kleinere Übel im direkten Vergleich mit Alan García, der das Land schon einmal ins Chaos gestürzt hat. Als Präsident wird Toledo nun beweisen müssen, dass er mehr auf Lager hat als auswendig gelernte Parolen, die sich in 14 Monaten Wahlkampf kaum verändert haben. Es wird schwierig für ihn werden, Anspruch und Wirklichkeit seiner Versprechen zusammenzubringen.

Gleichzeitig die Armut bekämpfen und dabei orthodox neoliberale Wirtschaftspraktiken einführen schließt sich in der Praxis aus. Toledo aber hat im Wahlkampf stets beides vertreten. Zwar ist es ihm gelungen, Fujimori aus dem Amt zu jagen – aber zaubern kann auch Toledo nicht. Daher sollte niemand allzu viel von Perus neuem Staatsoberhaupt erwarten. Vor allem muss Toledo sich dessen selbst bewusst werden – und anerkennen, dass die Zeit der Parolen vorbei ist. INGO MALCHER