Recht freundliche Razzia

Mord an 37-jährigem Engländer scheint aufgeklärt. Polizeiaktion in der Talstraße hatte viele Schwule empört  ■ Von Peter Ahrens

Der Mord scheint aufgeklärt, die Umstände werden weiterhin für Diskussionen sorgen. Gestern stellte sich der Polizei ein 30-jähriger Mann, der behauptete, im Januar einen 37-jährigen Engländer in dessen Wohnung getötet zu haben. Er habe den psychischen Druck nicht mehr länger ausgehalten, der vor allem von den Veröffentlichungen in der Presse und den Fahndungsplakaten ausgegangen war, gab er an. Die polizeilichen Ermittlungen in dem Fall hatten die schwule Szene stark verunsichert, weil die Polizei im Februar eine groß angelegte Razzia in den beiden Bars „Wunderbar“ und „Mystery Hall“ in der Talstraße durchgeführt und dabei bei den Gästen einen Speicheltest vorgenommen hatte. Während Polizeipräsident Justus Woydt das Vorgehen der Polizei gegenüber dem schwulen GAL-Bürgerschaftsabgeordenten Farid Müller am vergangenen Freitag nochmals ausdrücklich verteidigte, räumte Polizeisprecher Reinhard Fallak gestern ein: „Wir haben da durchaus auch Fehler gemacht.“

Der Täter hat nach eigener Darstellung den Engländer in der „Wunderbar“ in der Nacht des 6. Januar kennengelernt. In der Wohnung des Opfers in Bahrenfeld sei es danach zum Streit gekommen, bei dem der 37-Jährige erstochen wurde – in Notwehr, wie der Mann behauptet. Am 25. Februar tauchte dann eine Hundertschaft der Polizei in den beiden Bars auf, die zuvor informierte Boulevard-Presse im Schlepptau. Die Personalien von über 200 Gästen wurden überprüft, die Besucher aufgefordert, sich an einem Speicheltest zu beteiligen – „der bisher größte anberaumte Gentest in der Hamburger Geschichte“, wie Müller sagt. Der Täter hatte am Speicheltest nicht teilgenommen.

Nicht nur die Aktion selbst, auch dass die Polizei im folgenden gern von „Ermittlungen im Milieu“ sprach, hat viele Schwule empört: Müller und das Projekt „Die schwule Baustelle“ sprachen von einer „generellen Kriminalisierung der schwulen Szene“. Fallak gibt zu, „da hätte man sensibler herangehen müssen“. In der Vorwoche hatte Woydt dagegen in einem Gespräch mit Farid Müller, so der GAL-Abgeordnete, davon geredet, die Polizei werde „in einem nächsten Fall wieder so handeln“. Dass außer der Presse niemand von der bevorstehenden Polizeiaktion wusste, verteidigt auch Fallak: „Wenn ich Corny Littmann vorher informiere, kann ich mir die Razzia auch sparen.“

Die schwule Baustelle erinnert die Aktion an die 60er Jahre, als Durchsuchungen schwuler Bars zum Alltag gehörten. Daran habe auch die „Vertrauensarbeit“ zwischen Polizei und Schwulenverbänden nichts geändert: „Razzia wie früher – aber alles recht freundlich“, resümiert die Baustelle.

Am Sonnabend ist wieder Christopher Street Day in Hamburg – mit einem Stand ist auch die Polizei vertreten.