Uschi, mach' kein Quatsch

■ Oops, I did it again: „Beatclub“ heute / Moderatorin Nerke erinnert an sich und die Urmutter von Viva und MTV und plappert wie ein Sturzbach über die alten Zeiten

Wilhelm Wieben kündigte die neue TV-Ära wie eine Sturmwarnung an. Das sei halt „ein Programm von jungen Leuten für junge Leute“, besprach Wieben (später Tagesschau) am 23.9.1965 quasi entschuldigend das völlig fantastische ARD-Format von Radio Bremen. Dabei ging's um die Urmutter von MTV und Viva, von Niels Ruf, Christian Ulmen und unzähligen Moderatoren-Miezen: um Uschi Nerke vom „Beatclub“.

Dunnemals muss Uschi eingeschlagen sein wie eine Bombe. Mick Jagger & Co. räumten mit „Satisfaction“ ab, Cola-Flaschen vor der Kamera beamten psychedelische Effekte in Papas Wohnstuben. Die Jungs beriefen sich plötzlich auf's „Fernsehen“ – die hätten da auch so lange Haare, wie die Bee Gees und Joe Cocker. Und die Mädchen auf die 21-jährige Architekturstudentin mit den saukurzen Röckchen.

26-jährigen Leserbriefschreibern wurde dementsprechend „schlecht“, wenn sie die Nerke sahen. Die Bild titelte „Geht Uschi zu kurz?“, die Katholische Kirchenzeitung fand alles „obszön“ – aber nur, weil sie wahrscheinlich nicht wusste, dass die Klos im Sendeschuppen in der Heinrich-Hertz-Straße immer voller Shit-Schwaden waren. „Beat-Club“, das war Fernseh-Revolution, visuelles Sit-In der 68er-Bewegten, bevor sie freie Liebe machten, Häuser besetzten und Müsli mörserten.

Heute ist aber alles anders. Uschi Nerke ist Mitte fünfzig, trägt immer noch Pony und kleines Schwarzes, moderiert die Kuschelwelle „bremen eins“ und räkelt sich stilecht in einem quietschlila Aufblassessel aus den 60ern. Stilecht wäre es gewesen, wenn sie den Zuschauern im Brauhauskeller des Bremer Theaters ein Backrezepte, Makramée- oder Batik-Tipps verraten hätte. Aber „die Nerke“ redete über den „Beat-Club“ – für eine Veranstaltungsreihe des Focke-Museums im Rahmen seiner 60er-Jahre-Ausstellung.

Uschi plauscht los: „Ja, wir waren schon die Speerspitze“. Und: „Die Nerke wird ins Gras beißen, ohne die Beatles gekannt zu haben.“ Und: „Ich bin immer nur mitgerannt.“ Ach Uschi, hättest du doch geschwiegen. Wie ein Sturzbächlein plappert es aus ihr raus, Hans-Dieter Heimendahl, der nette Befrager, kann Nerke kaum bremsen. Einmal sei sie sogar mit einem der Gäste durchgebrannt. Oft sei sie „toll abgehottet“ nach dem „Beatclub“. Und draußen sei das „so kalt“ gewesen mit den Mini-Kleidchen. Ciao, TV-„Legende“, hier kommt der Bieder-Club.

Schon damals reichte Rudi Carell das studierende Schlagersternchen an Radio Bremen-Regisseur Mike Leckebusch weiter. Der knallte dem heutigen CDU-Mitglied dann den aktuellsten Playboy vor die Füße, damit sie sich auch so knappe, nabelfreie Fummel schneidere. Und für 300 Mark pro Show schmiss sich die Uschi an die Nähmaschine. Weil sie Reißverschlüsse nicht gut konnte, durfte der Kameramann dann nur von vorne ran an die Nerke: hinten hielten ein paar Wäscheklammern das Stöffchen zusammen.

Inklusive „Musikladen“ und – ab und an – auch mal einer geschredderten Garderobe ging das 15 Jahre so. Kracher-Quoten, ein Riesenerfolg: Der „Beat-Club“ wurde in 37 Ländern verkauft. Dann kamen Manfred Sexauer, „Formel 1“, die Privaten und Uschi Nerke gründete ein Ingenieursbüro. Wäre sie doch nur dabei geblieben.

Kai Schöneberg