Vielfalt mit Rechtsdrall

Weil Berlusconi die RAI nicht übernehmen kann, melden jetzt die Postfaschisten Ansprüche an

aus Rom MICHAEL BRAUN

„Wir rühren uns nicht vom Fleck“. Roberto Zaccaria, Vorsitzender des Verwaltungsrates des Staatsfernsehens RAI, hat zusammen mit seinen Kollegen den neuen Präsidenten des Senats und des Abgeordnetenhauses den Rücktritt anbieten wollen. Doch dann verkündete Marcello Pera, frisch gekürter Senatspräsident aus der Berlusconi-Partei Forza Italia, an der RAI-Spitze müssten nun endlich „echte Profis“ zum Zuge kommen. „Der hat uns praktisch als Dilettanten eingestuft“, erzürnte sich Zaccaria. Und zur Strafe bleibt das Rücktrittsschreiben in der Schublade.

Aber natürlich geht es bei dem Krach nicht um Ehrenhändel und gekränkten Berufsstolz. Es steht schon ein bisschen mehr auf dem Spiel: die Frage, was nach dem Wahlsieg des TV-Magnaten Berlusconi aus Italiens Fernsehlandschaft wird. Denn Zaccaria – und mit ihm zwei weitere der insgesamt fünf RAI-Vorstände – ist Parteigänger der gerade abgelösten Mitte-Links-Koalition. Ihr erweisen sie jetzt einen letzten Dienst. Der Auftrag: Die Bastion RAI halten, um Berlusconi eine Diskussion über seine Mediaset aufzuzwingen.

So kommt es, dass die Politiker aller Lager eifrig übers Fernsehen debattieren – allerdings mit höchst unterschiedlichen Akzenten. Die rechten Wahlsieger kennen bloß das Thema RAI. Da müssten jetzt „unparteiische“ Leute ans Ruder, um endlich dem „Regime“ der Linken ein Ende zu setzen. Dabei wissen auch die Politiker der „Ölbaum“-Opposition aus eigener Praxis nur zu gut, dass die RAI für jede neue Regierungsmehrheit gleichsam legitime Beute ist. Die Benennung des RAI-Verwaltungsrats obliegt den beiden Parlamentspräsidenten – zwei Vertretern der Regierungsmehrheit also. Schön nach Proporz nominieren sie drei Regierungstreue, zwei Sitze kriegt die Opposition. Die Mehrheit im Verwaltungsrat regelt dann im Einvernehmen mit den Parteizentralen die Besetzung aller Chefsessel.

Diesmal aber gestaltet sich das Spiel etwas komplizierter. Das Mandat des gegenwärtigen Verwaltungsrates läuft erst in einem Jahr aus. Und an Sturz ist nicht zu denken: Die neue Rechtsregierung bräuchte dazu eine Zweidrittelmehrheit im Parlamentsausschuss zur Überwachung der RAI. Also heißt es abwarten – oder den Druck erhöhen. Welche Lösung die Rechte wählt, ist derzeit offen. Berlusconis Forza Italia legt zur Zeit Geduld an den Tag. Geduld mit der RAI, Geduld aber auch mit der Lösung von Berlusconis Interessenkonflikt. Seit Wochen schweigt der neue starke Mann zu den Zukunftsperspektiven seiner drei Sender. Verkauf, gar Entflechtung des Privatmonopols sind von ihm kaum zu erwarten, obwohl sie die einzig saubere Lösung wären. Stattdessen steht ein windelweiches Treuhänder-Modell im Raum, das den politischen Nutzen der Berlusconi-Sender kaum beeinträchtigen würde. Und dann, spätestens im nächsten Jahr, könnte auch die RAI auf eine Linie gebracht werden, die trotz neoliberaler Beteuerungen kaum zur Privatisierung führen dürfte. Eher schon an einem öffentlich-rechtlichen Bildungs- und Schulfernsehen, das dank niedriger Einschaltquoten keinen Ärger beim Kampf um die Werbeetats macht. „Zum Privatfernsehen komplementär“ müsse die Staatsanstalt sein, hatte schon 1994 die damals von Berlusconi an die RAI-Spitze entsandte Letizia Moratti gefordert.

Doch dieses Konzept einer gleichgeschaltet-schwachen RAI missfällt nicht nur der linken Opposition. Auch Berlusconis Koalitionspartner Gianfranco Fini von der postfaschistischen Alleanza Nazionale hat andre Pläne. Er würde den Staatssender gern unter die eignen Fittiche nehmen. Auch dann wäre die Linke abserviert. Ein Stück Pluralismus allerdings bliebe gewahrt: Italien hätte rechte Vielfalt auf dem Äther.

Finis Kampf kommt nicht von ungefähr, denn was totale TV-Kontrolle durch Berlusconi heißt, kann er jetzt schon auf den Mediaset-Wellen studieren: Dort gibt es Nachrichten aus Berlusconi-Land, und selbst treue Diener wie Gianfranco Fini finden sich zu Komparsen degradiert.