: UNO-Flüchtlingshilfswerk in Not
Sinkende Beiträge aus den EU-Staaten und den USA zwingen das UNHCR zu einem rigiden Sparkurs. Als Folge dieser Krise muss die Organisation hunderte Mitarbeiter entlassen und ihre Aktivitäten zurückfahren – trotz weltweit 21 Millionen Flüchtlingen
aus Genf ANDREAS ZUMACH
Schwere Krise beim UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge: Bis Ende 2002 muss das in Genf residierende UNHCR fast 800 MitarbeiterInnen entlassen und seine Aktivitäten auf „Kernaufgaben“ zurückführen – und dies trotz unverändert hoher Flüchtlingszahlen von rund 21 Millionen weltweit. Hauptgrund für die Sparmaßnahmen ist der drastische Rückgang der Beiträge insbesondere aus EU-Staaten und den USA. Der seit Anfang Januar amtierende Hochkommissar Ruud Lubbers bereist diese Woche sämtliche Konfliktgebiete Südosteuropas, um die Einsparpotenziale für den UNHCR in dieser Region zu erkunden.
Noch immer versorgt das UNHCR rund 400.000 Menschen, die als Flüchtlinge oder Binnenvertriebene in den Staaten Exjugoslawiens leben, weil sie – trotz internationaler „Garantien“ zum Beispiel im Dayton-Abkommen – nicht in ihre Vorkriegswohnorte zurückkehren konnten. In den EU-Staaten ließ die Unterstützung für diese Arbeit des UNHCR in den letzten fünf Jahren jedoch in dem Maße nach, wie die ehemals rund 800.000 Flüchtlinge (überwiegend aus Bosnien) ihre westeuropäischen Aufnahmeländer wieder verließen.
Alle EU-Mitglieder mit Ausnahme der Skandinavier und der Niederlande kürzten ihre Beiträge an das – zu über 90 Prozent von freiwilligen Beiträgen abhängige – Budget des UNHCR massiv. 1996 finanzierten die EU-Staaten rund 25 Prozent des UNHCR-Budgets, 2000 waren es noch fünf Prozent. Zugleich verringerten die USA ihre Beiträge. Wegen sinkender Einnahmen wurde die Zahl der Beschäftigten in der UNHCR-Zentrale seit 1995 um 17 Prozent verringert.
Obwohl Hochkommissar Lubbers als Ex-Premier der Niederlande hervorragende Kontakte in die meisten europäischen Hauptstädte hat, gelang es ihm nicht, die EU-Regierungen zu einer deutlichen Erhöhung ihrer Beiträge zu bewegen. Daraufhin musste der Etat für 2.002 gegenüber dem laufenden Jahr um 14 Prozent gekürzt werden (von 954 Millionen US-Dollar auf 825 Mio.). Von 4.828 UNHCR-Mitarbeitern sollen in den nächsten 18 Monaten 939 entlassen werden – überwiegend in Südosteuropa und in Osttimor. Für neue Operationen können maximal 174 Mitarbeiter eingestellt werden.
Das UNHCR will sich nach Auskunft seines Sprechers Ron Redmond jetzt „auf seine Kernaufgaben des Schutzes und der Versorgung von Flüchtlingen“ zurückziehen. Die Aufgabe der (Re)Integration von Flüchtlingen in ihre Heimat beziehungsweise in Drittländer sollen „andere Organisationen übernehmen“. Diese Organisationen, zum Beispiel das UNO-Entwicklungsprogramm (UNDP), hat ähnliche Finanzprobleme wie das UNHCR.
meinung SEITE 11
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen