Die Kritik an der Internierung wächst

In Australien mobilisieren Menschenrechtsgruppen gegen die Praxis, alle Flüchtlinge ohne gültige Visa zu internieren

SYDNEY taz ■ Nicht nur in den australischen Internierungslagern für so genannte Boat People nehmen Proteste der Flüchtlinge zu. Auch in der australischen Öffentlichkeit wächst die Kritik am Umgang mit ihnen. Am vergangenen Wochenende haben beim ersten nationalen Aktionstag mehrere tausend Menschen gegen die rigide Asyl- und Flüchtlingspolitik demonstriert.

„Schließt die Internierungslager!“ und „Befreit die Flüchtlinge!“, riefen die Demonstranten vor dem Lager Villawood im Westen Sydneys. Die Insassen hinter meterhohen Stacheldrahtzäunen, zusätzlich abgeschirmt von Polizisten, riefen zurück: „Wir wollen unsere Freiheit.“

Als die Demonstranten Spielzeug, Telefonkarten, Kinderwagen, Schokolade und ein Fernsehgerät für die Flüchtlinge ins Lager bringen wollten, kam es zur Rangelei mit der Polizei. Schließlich nahm das Lagerpersonal die Spenden entgegen.

Das multikulturelle Einwanderungsland Australien ist das einzige westliche Industrieland, in dem Flüchtlinge ohne gültige Visa sofort wie Kriminelle in geschlossene und meist abgelegene Internierungslager gesperrt werden. Das Lager Villawood gilt dabei wegen seiner Nähe zu Sydney noch am erträglichsten. Bei der Kundgebung vor dem Lager bezeichnete der Gewerkschafter John Robertson die Behandlung der Flüchtlinge durch die Regierung als „nationale Schande und internationale Blamage für Australien“.

Flüchtlings- und Menschenrechtsgruppen fordern die Schließung der De-facto-Gefängnisse, volle Rechte für alle Flüchtlinge und freie Unterbringung in den Kommunen. Seit zwei Jahren häufen sich Aufstände, Flucht- und Selbstmordversuche, Hungerstreiks sowie Klagen über diskriminierende Behandlung durch das Personal. Zuletzt verweigerten am Montag 150 Flüchtlinge im westaustralischen Lager Port Hedland die Nahrung, am Freitag beendete das Wachpersonal im Lager Curtin einen Protest mit Tränengas.

Knapp 4.000 Flüchtlinge – vor allem aus Afghanistan, Irak und Iran – sitzen derzeit in den sechs Internierungslagern, darunter Frauen, Kinder, Alte und Kranke. Die oft von Krieg und Verfolgung traumatisierten Flüchtlinge warten dort monatelang, zum Teil mehrere Jahre, auf eine Aufenthaltsgenehmigung. Zum Trauma der Flucht kommt das Trauma der öden Lagerhaft.

In der Regel bekommt die große Mehrheit der Flüchtlinge letztlich ein Visum. Seit einer Gesetzesänderung 1999 sei dieses jedoch meist nur noch drei Jahre gültig und schließe bestimmte Sozialleistungen, Familienzusammenführung und Englischunterricht aus, kritisiert Magaret Piper vom australischen Flüchtlingsrat gegenüber der taz.

Die australische Menschenrechtskommission hatte bereits 1998 festgestellt, dass die Internierung der Flüchtlinge gegen Grundrechte verstößt. Das allerdings sieht der Minister für Einwanderung und multikulturelle Angelegenheiten, Philip Ruddock, ganz anders. Er argumentiert, ohne Internierung würden viele Flüchtlinge untertauchen. Sie würden schließlich freiwillig nach Australien kommen und könnten jederzeit wieder gehen. Er macht für die Verzweiflung der Internierten die unhaltbaren Versprechen von Menschenschmugglern verantwortlich. Ruddock plant gar neue Lager. Die Politik der Internierung war von einer Labor-Regierung 1989 eingeführt worden.

Von rund 80.000 Einwanderern, die Australien pro Jahr aufnimmt, sind 12.000 so genannte humanitäre Fälle, darunter Familienzusammenführungen. Im Vergleich mit anderen Aufnahmeländern ist die Quote gering. Dennoch nährt die konservative Regierung weiter den Mythos einer „Überflutung“ Australiens durch Boat People.

CORINA JÜRGENSEN