Schon vor der Wahl haben die Tories resigniert

Weil Blair ihr Programm gestohlen hat, musste die Opposition einen Wahlkampf gegen den Euro führen. Die Kampagne ging nach hinten los

LONDON taz ■ Übermorgen wird er von seinem Leiden erlöst. Wenn das Ergebnis der britischen Parlamentswahlen in der Nacht zum Freitag feststeht, sind die Tage von Tory-Chef William Hague gezählt. Er hat die Wahl schon im Voraus verloren gegeben – und die Wählerschaft angebettelt, der Labour Party wenigstens nicht noch mehr Sitze zu bescheren als bisher. „Ein erdrutschartiger Sieg für Labour wäre schlecht für die Demokratie“, sagte Hague. Sollten die Tories weitere Sitze verlieren, wäre es im Nu um ihn geschehen.

Es ist auffällig, dass die früheren Parteigrößen schweigen. Lediglich Ex-Premierministerin Margaret Thatcher und ihr Vorgänger Edward Heath haben sich im Wahlkampf geäußert. Die „Eiserne Lady“ lobte Hagues Politik. Heath dagegen attestierte seiner Partei, dass sie zu Recht verlieren werde. Welche der beiden Äußerungen Hague mehr Schaden zugefügt hat, ist nicht sicher.

Aber der letzte Tory-Premier John Major blieb im Wahlkampf ebenso unsichtbar wie sein damaliger Stellvertreter Michael Heseltine, sein Innenminister Kenneth Clarke sowie der Europa-Abgeordnete und letzte Hongkong-Gouverneur Chris Patten. Sie alle wissen, dass sie die Katastrophe für ihre Partei nicht mehr aufhalten können. Und sie wollen, dass Hague die volle Verantwortung dafür übernimmt. Am Freitag werden sie sich wieder zu Wort melden. Sie können mit ihrer proeuropäischen Einstellung aber nur dann Einfluss zurückgewinnen, wenn Hagues Anti-Europa-Wahlkampf morgen mit einer verheerenden Wahlniederlage endet. Selbst dann wird eine Wiederauferstehung des „linken“ Tory-Flügels schwer genug, denn die Partei ist finanziell von zwei Multimillionären abhängig, die Hague auf seinen antieuropäischen Kurs eingeschworen haben.

Wahrscheinlicher ist es, dass Michael Portillo nach Hagues Abgang an die Parteispitze rücken wird. Der frühere Verteidigungsminister, der bei den Wahlen vor vier Jahren überraschend seinen Sitz verlor und erst durch eine Nachwahl wieder ins Parlament kam, würde lieber noch ein Jahr warten – bis das Volk über den britischen Beitritt zum Euro abgestimmt hat. Eine Niederlage für die Tories würde ihn als Parteichef beschädigen.

Mit den Themen Euro und Asyl hat Hague im Wahlkampf auf die falschen Pferde gesetzt. Würden Flüchtlinge und Einheitswährung von der Insel nicht fern gehalten, so prophezeite er in den düstersten Farben, dann drohe der Untergang Britanniens. Doch auf der Liste der Probleme, die den Wählern am Herzen liegen, standen die beiden Themen in den Umfragen an letzter Stelle. Aber was blieb Hague auch anderes übrig? Die übrigen Programmpunkte hatte ihm Labour ganz einfach gestohlen – und er konnte ja schlecht die eigene Tory-Politik herunterputzen, nur weil sie von Blairs Labour Party umgesetzt wird.

Hague hat es wider Willen sogar geschafft, einen Meinungsumschwung in Sachen Euro herbeizuführen. Je heftiger er auf die Währung schimpft, desto mehr Menschen können sich mit ihr anfreunden. In einer Umfrage Anfang der Woche sprach sich erstmals eine knappe Mehrheit für den Beitritt zur Euro-Zone aus. Premierminister Tony Blair kann nur hoffen, dass die Tories nicht ganz so vernichtend geschlagen werden: Nur dann bleibt ihm Hague als Wahlhelfer für das Euro-Referendum erhalten, das wohl im Herbst nächsten Jahres stattfinden wird. RALF SOTSCHECK