stammzellen aus haifa
: Der Bundestag als Palaverclub

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Wolfgang Clement hat seinem Parteifreund Gerhard Schröder einen wundervollen Dienst erwiesen. Clements Ankündigung, den Import embryonaler Stammzellen nach Deutschland zu unterstützen, könnte dem Kanzler nicht besser ins Konzept passen. Schröder, bei dem gemeinhin wenig Respekt vor ethischen Bedenken, ja überhaupt vor Bedenken, zu vermuten ist, muss nicht selbst den Kopf hinhalten. Ja, er kann sogar verlauten lassen, er finde das Vorgehen Clements nicht so gut. Schließlich müsse die Angelegenheit erst im Nationalen Ethikrat besprochen werden. Aufgemerkt! Der Kanzler sagt nicht „Bundestag“.

Kommentarvon BERND PICKERT

Geschickter kann man das nicht machen. Da hat der Bundestag noch kaum angefangen, die Hoheit über das Thema zu beanspruchen, und schon entsteht wie aus dem Nichts Zeit- und Handlungsdruck. Zugleich unterstreicht Clement implizit das Argument der Pragmatiker, es sei Unsinn und standortschädigend, national zu verbieten, was international nicht aufzuhalten ist. Und wie nebenbei lässt Schröder dann den von den Parlamentariern zu Recht misstrauisch beäugten Nationalen Ethikrat zum Instrument der Nachdenklichkeit gegenüber Heißspornen wie Clement stilisieren. Chapeau!

Als „Vorpreschen“ oder „Vorstoß“ ist Clements Ankündigung vielerorts kommentiert worden – mitunter mit den Adjektiven „vorschnell“ oder „übereilt“ versehen. Das Vokabular ist verräterisch, denn es offenbart die Erwartung, dass die embryonale Stammzellenforschung sowieso früher oder später kommt. Wenn das so ist, schlägt die Stunde der Hemdsärmeligen.

Es macht den Macher zum Macher, etwas schneller machen zu wollen. Schröder kann das derzeit schlecht selbst – dann würde er seinen eigenen Ethikrat bloßstellen, auf den er ja später erst noch hören will. Die Partei mit all ihren Linken, Christen und Bedenkenträgern kann noch viel weniger und will auch nicht. Clement kann.

Zum Palaverclub reduziert sieht sich der Bundestag. Wenn sich dessen Abgeordnete wirklich ernst nähmen, müssten sie, ungeachtet der jeweiligen Position in der Sache, parteiübergreifend auf die Barrikaden gehen. Dass das nicht passiert, lässt vermuten, dass große Teile der Debatte vom vergangenen Donnerstag nur fürs Protokoll bestimmt waren. Kaum gesagt, schon Geschichte. So kann man auch „historisch“ debattieren.

inland SEITE 7