Ein Mann mit Zukunft

Die Spitzengremien der SPD entscheiden heute über die Fortsetzung des Bündnisses mit der CDU. Vor dem Koalitionsausschuss am gestrigen Abend war die Stimmung auf dem absoluten Tiefpunkt. Aber mal ehrlich: Braucht eine Frohnatur wie Eberhard Diepgen überhaupt ein Regierungsbündnis mit der SPD? Schließlich wird sich der viel begabte Diepgen auch als Regierungschef a. D. vor Stellenangeboten kaum retten können

von ANDREAS SPANNBAUER

Die SPD entscheidet heute endgültig über Fortbestand oder Bruch der großen Koalition. Noch am Vormittag wollen Fraktions- und Landesvorstand der SPD zusammentreffen, um die Konsequenzen aus der gestrigen Sitzung des Koalitionsausschusses zu ziehen.

Im Vorfeld der Beratungen zwischen CDU und SPD, die bis spät in die Nacht andauerten, war die Stimmung zwischen den Regierungsparteien auf der nach unten offenen Abneigungsskala weiter extrem abgerutscht. SPD-Fraktionsvorsitzender Klaus Wowereit drohte noch einmal mit Neuwahlen, falls es am Abend zu keiner Einigung mit der CDU über eine Lösung der Finanzkrise komme. Die Koalition sei, so erklärte der SPD-Abgeordnete Hans-Georg Lorenz bereits am Vormittag, „schon tot“.

Fast schon verwegen mutete angesichts solcher Drohungen das Bekenntnis des Regierenden Bürgermeisters Eberhard Diepgen an: „Ich versuche zusammenzuhalten.“ Allerdings sei deutlich geworden, dass die Sozialdemokraten „zu anderen Ufern“ wollten. Über den Ausgang der Gespräche wollte man weder in der CDU noch bei denSozialdemokraten eine Prognose abgeben.

Diepgen war im Vorfeld der Gespräche Gegenstand von Gerüchten geworden. Laut unbestätigten Meldungen vom Nachmittag will die SPD den Rückzug Diepgens fordern. Der Regierungschef solle durch Finanzsenator Peter Kurth (CDU) ersetzt werden. Nur im Fall von personellen Veränderungen sei ein Fortbestand der Koalition möglich. Eine solche Variante sei auch mit der Bundes-SPD abgesprochen, die eine Fortsetzung der Koalition einem Bündnis mit der PDS mit Blick auf die Wahlen 2002 vorziehe.

Doch im Kurt-Schumacher-Haus in Wedding dementierte man prompt. Man wolle Sachfragen und keine Personalfragen lösen. SPD-Fraktionschef Wowereit hatte allerdings bereits in der Vergangenheit keinen Hehl daraus gemacht, dass er es vorziehen würde, wenn sich innerhalb der CDU die Linie des Finanzsenators durchsetzen würde. Es gebe, so ging das Gerücht, auf diesen Vorschlag auch bereits positive Reaktionen aus der CDU.

In der Union wollte man von diesen Vorschlägen nichts wissen. „Das Ziel der Kampagne ist die Destabilisierung“, kommentierte CDU-Landesgeschäftsführer Matthias Wambach. CDU-Generalsekretär Ingo Schmitt wies auch Berichte zurück, wonach Diepgen im Falle von Neuwahlen nicht mehr als Spitzenkandidat zur Verfügung stehe. Diese seien, so Schmitt, „fast schon ein Stück aus dem Stasi-Lehrbuch“. Der CDU-Fraktionschef Frank Steffel appellierte an die SPD, die Koalition fortzusetzen: „Überlassen wir die Stadt nicht den Kommunisten!“ Auch der Generalsekretär der Bundes-CDU, Laurenz Meyer, sagte, er sei „bitter enttäuscht von dem Verhalten der Sozialdemokraten“.

Diepgen und Kurth präsentierten am Nachmittag ein weit reichendes Sparkonzept der Union. Man werde der SPD keinen Vorwand für einen Ausstieg aus dem Regierungsbündnis liefern, hieß es. Allerdings enthielt die CDU den Sozialdemokraten die Vorschläge bis zuletzt vor. „Ein solches Vorgehen ist alles andere als geeignet, die Atmosphäre zu verbessern“, kritisierte SPD-Sprecherin Anja Sprogies.

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