Verraten und verkauft

Bahn AG spielt mit Rechtstricks Gewerkschaften gegeneinander aus  ■ Von Kai von Appen

Die AutozugbetreuerInnen der „Reisebetreuungs Gmbh“ (RBG) aus Hamburg befinden sich im Arbeitskampf. Die Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gasttätten (NGG) hatte dazu aufgerufen, nachdem sich 92,5 Prozent ihrer Mitglieder für Streik ausgesprochen hatten. Nach acht Tagen wird nun die harte Keule geschwungen. Der DB-Autozug GmbH hat den Serviceaufauftrag für die RBG fristlos gekündigt und dafür die Autozug-Tochter „European Railservice“ (ERS) gegründet, die ab Sonntag den Service übernehmen soll. Ohne Kenntnis der NGG-Streik-Ambitionen hatte die Eisenbahn-Gewerkschaft TransNet mit der ERS einen Tarifvertrag abgeschlossen. „Wir setzen die Kampfmaßnahmen aber dennoch fort“, so gestern NGG-Sprecher Lutz Tillack.

Obwohl die Streiktaktik kompliziert ist, zeigt sie Wirkung: Um Überraschungseffekte auf ihrer Seite zu haben und der RBG keine Möglichkeit zu logistischen Gegenmaßnahmen zu geben, werden sie vorher nicht von der NGG angekündigt. Erst wenn ein Team auf Tour ist, wird der Ausstand begonnen – zuletzt vorige Nacht von einer Crew bei Hildesheim auf dem Weg nach Süden. Dann wird der Service in Schlaf- und Liegewagen eingestellt, und Reisende müssen ihre Betten selber aufschlagen.

Die RBG ist eine 100-Prozent-Tochter der DB-Reiseunternehmens „Mitropa AG“ und ist nur gegründet worden, um einen Konkurrenten durch Dumping aus dem Markt zu werfen. Mitropa wiederum ist eine komplette Tochter der staatlichen Bahn AG, der auch die DB-Autozug GmbH gehört. RGB hat rund 120 Angestellte – meist auf Teilzeitbasis – und 180 Saisonkräfte. Bezahlt wird nach Pauschalen – für eine Fahrt Hamburg-Narbonne und retour von 37 Stunden 360 Mark brutto. Das entspricht einem Stundenlohn von 9.73 Mark. Nacht-, Sonn-, und Feiertagszuschläge sowie Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gibt es nicht, Urlaubs- und Weihnachtsgeld sind für die häufig studentischen MitarbeiterInnen Fremdworte. Sie fordern eine Anpassung an die Mitropa-Tarifnormen.

Der Tarifabschluss von TransNet bei ERS auf niedrigem Niveau hat Empörung ausgelöst. „TransNet tarifiert hinter dem Rücken der Belegschaft und der Schwestergewerkschaft NGG Billiglohnbedingungen“, schimpft ein RBG-Mitarbeiter. „Es ist zwar dumm gelaufen“, kontert TransNet Tarifexperte Dieter Harms. Aber die TransNet habe mit der ERS als DB-Autozug-Tochter einen Tarifvertrag ausgehandelt, bevor der Streik begonnen habe. Dass nun die RBG liquidiert werde, habe man nicht gewusst. Tatsächlich macht die ERS den RBG-MitarbeiterInnen – die RBG und ERS-Geschäftführung ist nahezu identisch – aber derzeit Übernahmeangebote. „Wir wollen materielle Verbesserungen“, sagt Tillack: Daher lasse sich wohl kaum jemand locken, und auch juristisch sei das letzte Wort noch nicht gesprochen. Denn bei der ERS handele es sich um einen unmittelbaren RBG-Rechtsnachfolger. Tillack: „Die Brisanz dieses Themas wird noch hochkochen.“