„Die CDU kriegt’s ungeschminkt zurück“

Der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Wolfgang Wieland, will auf das Ende der großen Koalition keinen Schampus trinken. Einen Lagerwahlkampf fürchtet er nicht. Entlassungen im öffentlichen Dienst lehnt er im Gegensatz zur SPD ab

taz: Herr Wieland, was trinken Sie jetzt im Anschluss an Ihre Fraktionssitzung?

Wolfgang Wieland: Leider keinen Schampus, unser Standardgetränk von morgens bis abends ist Kaffee. Aber bei uns herrscht auch gar keine Jubelstimmung. Der Senat ist geplatzt, weil die Haushaltskatastrophe nicht mehr verheimlicht werden konnte. Wir befinden uns in Berlin in einer Blut-Schweiß-und-Tränen-Situation. Wer da noch fröhlich Schampus trinken kann, gehört zu denen, die das schon in den letzten Jahren auf Kosten anderer getan haben. Aber Genugtuung verspüre ich schon, dass diese ungeliebte große Koalition endlich ihr Ende gefunden hat.

Noch 1999 hatten die Grünen ein Bündnis mit der PDS ausgeschlossen. Was hat sich seither geändert?

Die PDS hat eine weitere Wandlung durchgemacht. Wir haben übrigens immer gesagt, dass es sich nicht um einen Ausschluss ad infinitum handelt. Es lag an der PDS, durch eine Aufarbeitung ihrer SED-Vergangenheit als Bündnispartner akzeptabel zu werden. Und ein Stück dieses Weges ist die PDS mit ihren Entschuldigungen zur Zwangsvereinigung, mit ihren Erklärungen zum 17. Juni und zum 13. August gegangen. Man muss auch sehen, dass die PDS hier im Parlament kein Problem für die Demokratie gewesen ist, sondern durchweg eine sachorientierte, realistische Politik betrieben hat.

Haben Sie keine Angst vor einem Rote-Socken-Wahlkampf?

Eberhard Diepgen hat sich bereits vom Traumtänzer der letzten Monate zum kalten Krieger zurückverwandelt. Das wird er alles ungeschminkt zurückbekommen. Wir haben keine Angst vor einem Lagerwahlkampf, denn das ist ein Wahlkampf von gestern. Die Berliner Wähler sind zu einem Drittel Menschen, die in den letzten zehn Jahren nach Berlin gezogen sind oder zum ersten Mal wahlberechtigt sind. Für die ist die Mauer ein Stück aus dem Geschichtsbuch.

Was müssen wir von einer rot-rot-grünen Regierung erwarten?

Ein neuer Senat müsste die anstehenden Herkulesaufgaben bewältigen: Er müsste endlich einen realistischen Konsolidierungspfad einschlagen – anders als Finanzsenator Peter Kurth mit seinem letztjährigen Haushalt, der eine Halbwertszeit von einem Monat hatte.

Wo wollen Sie streichen?

Es muss mit harten Sanierungsmaßnahmen begonnen werden. Das betrifft Investitionen wie die berühmte U 5 oder die Entwicklungsgebiete. Der Personalhaushalt bleibt das Hauptproblem der Finanzmisere. Wir lehnen hier, ähnlich wie die CDU, betriebsbedingte Kündigungen ab. An diesem Punkt gibt es von uns ein deutliches Nein gegenüber der SPD. Es gibt aber auch andere, kreative Wege, die zu Entlastungen im Personalhaushalt führen können – Arbeitszeitverkürzung, Teilzeit, Jobsharing. Und das ist unbedingt notwendig. INTERVIEW: ANDREAS SPANNBAUER