An die Urnen!

Nach dem Koalitionsbruch plädieren alle Parteien für Neuwahlen. SPD, Grüne und PDS für sofortige Auflösung des Parlaments und Wahlen im September, sonst Misstrauensvotum. CDU: Später wählen

von ROLF LAUTENSCHLÄGER

Nach dem Bruch der CDU-SPD-Koalition haben sich alle Parteien für Neuwahlen ausgesprochen. Als mögliche Termine für den Urnengang sind bereits der 23. September oder der spätere Herbst dieses Jahres im Gespräch. Außerdem wird darüber gestritten, wie es bis dahin weitergeht. Während sich die CDU gegen eine sofortige Selbstauflösung des Parlaments stemmt, weil die Wahl dann spätestens acht Wochen nach der Auflösung und somit in den Sommerferien stattfinden müsste, drohen SPD, PDS und Grüne mit einem konstruktiven Misstrauensvotum gegen den Regierenden Bürgermeister und mit einem Übergangssenat unter der Führung des SPD-Fraktionschefs Klaus Wowereit. Die Grünen forderten gestern Abend den Rücktritt Diepgens bis zum 14. Juni.

Der SPD-Landesvorstand hatte gestern dem Ausstieg aus dem Regierungsbündnis zugestimmt. Parteichef Strieder hatte zuvor angekündigt, dass auf einem SPD-Landesparteitag am Sonntag die Koalition formell beendet wird und schnell Neuwahlen angestrebt werden sollten. Nach Ansicht Strieders sei „das notwendige Vertrauen in die Koalition aufgebraucht“. Er bezeichnete es erneut als „Verlotterung der Sitten“, dass die CDU ihr Programm zur Konsolidierung des Haushaltes der Öffentlichkeit vorgestellt habe und dann erst der SPD. Damit habe die CDU den Wahlkampf eingeleitet.

Zu möglichen Bündnissen äußerte sich Strieder nicht: „Wir machen heute keine Koalitionsaussagen.“ Konkreter darin wurde gestern die SPD-Bundesspitze und SPD-Senator Klaus Böger: Bundeskanzler Schröder gab den Berliner Sozialdemokraten für eine Partnersuche freie Hand. SPD-Generalsekretär Franz Müntefering sagte, dass „jede im Parlament vertretene Partei“ als Koalitionspartner in Frage komme – auch die PDS. Selbst der SPD-Rechte Böger schloss nicht aus, „mit der PDS über ein Bündnis zu reden“.

Diepgen sprach sich gestern ebenfalls für Neuwahlen aus, wollte aber keinen Termin nennen. Zugleich ließ er offen, ob er wieder als Spitzenkandidat seiner Partei antritt. Ein mögliches rot-rot-grünes Bündnis bezeichnete Diepgen als eine „Koalition der Wahlverlierer“. Der SPD warf er vor, „seit langem den Bruch der Koalition vorbereitet“ zu haben. Auch CDU-Fraktionschef Frank Steffel beschuldigte die SPD, Diepgen mit Hilfe der PDS „stürzen“ zu wollen.

Für eine rot-rot-grüne Koalition plädierten die Grünen-Fraktionsvorsitzenden Sibyll Klotz und Wolfgang Wieland. „Nach mehr als zehn Jahren sind die Wunden so weit vernarbt, dass wir eine Koalition mit der PDS für möglich halten“, sagte Wieland.

Nach Ansicht des PDS-Fraktionsvorsitzenden Harald Wolf sind vorgezogene Neuwahlen die „sauberste Lösung“ für die Stadt. Wolf forderte SPD und Grüne auf, zu erklären, „dass sie die PDS nicht von vornherein von Koalitionsbildungen ausschließen“. Zugleich bot er an, gemeinsam mit den anderen Parteien für die Selbstauflösung des Parlaments und damit für „schnelle Neuwahlen“ zu stimmen.