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Der Teamchef rechnet richtig

Trotz eines zum historischen Ereignis hochgejubelten 2:0-Sieges über Albanien behält Rudi Völler kühlen Kopf und sagt: „Wir sind definitiv noch nicht für die WM qualifiziert“

BERLIN taz ■ Manchmal ist der Blick in die Geschichte ganz nützlich, um sich die Zukunft rosarot auszumalen. Immer wieder haben sie das getan am späten Mittwochabend in Tirana, immer wieder darauf hingewiesen, dass es seit langer Zeit, seit genau 18 Jahren, das erste Mal war, dass Deutschland Albanien mit mehr als nur einem mickrigen Tor Unterschied vom Platz geschickt hatte, auf dem Gerüchten zufolge die Wahrheit liegen soll. Doch was ist das nur für eine Wahrheit, die dem braven Fußballfan im Lande vorgaukelt, sein Fußball sei schon wieder von besonderer Güte und ganz bestimmt bald reif für einen Titel?

Rudi Völler, der Teamchef, hat diese Dinge freilich wahrgenommen – und reagiert darauf auf seine Weise: höflich also, aber doch bestimmt. Gratulation zum so historischen 2:0 – Völler lächelt sein mildes Rudi-Riese-Lächeln. Und sagt, dass er rechnen könne und dass, wenn er rechne, Deutschland „definitiv noch nicht für die Weltmeisterschaft qualifiziert“ sei im nächsten Jahr in Japan und Südkorea. Was sich wiederum leicht nachrechnen lässt: Deutschland 16 Punkte, England 10 bei einem Spiel weniger, so sagt es der Blick auf die Tabelle von Qualifikationsgruppe neun. Ergo: Noch ist alles möglich – auch für die Engländer, die beim 2:0 in Griechenland einen starken Eindruck hinterließen und nun am 1. September Gast sind im Münchner Olympiastadion, wo es dann zum Showdown kommen dürfte. „Wir haben einen weiteren Schritt Richtung WM getan“, fasste Teamchef Völler seine mathematischen Anstrengungen nach dem Albanien-Spiel zusammen, bevor er sich und seine Mannschaft in den Urlaub schickte.

Vielleicht wird der Teamchef dort ein bisschen zur Ruhe kommen und zum Sinnieren. Und wahrscheinlich wird Rudi Völler sich dann selbst attestieren müssen, dass er bisher noch nicht allzu viel falsch gemacht hat in seinem gerade zu Ende gegangenen ersten Jahr als Teamchef. Sieben Siege in zehn Spielen stehen zu Buche, noch wichtiger: fünf davon bei WM-Qualifikationsspielen. Das ist so übel nicht für einen, der aus purem Zufall und von jetzt auf nachher zum obersten Fußballlehrer der Republik erklärt wurde. Weit mehr noch als die nackte Statistik spricht für Völler aber, wie die Mannschaft wieder auftritt nur ein Jahr nachdem sie Völler-Vorgänger Ribbeck in den Ruin getrieben hat: Engagiert, kraftvoll, kämpferisch, so sehr gleich, dass nach dem Albanien-Spiel selbst auf dem Trikot von Michael Ballack ein großer Grasflecken zu sehen war, was, wie es heißt, nicht eben alltäglich ist. Ballack gilt in der Szene als verschnöselt, als einer jener aalglatten Jungmillionäre, die schon Vogts an den Pranger stellte, als er noch Bundes-Berti war. Bei Völler ist Ballack, 24, einer jener Spieler, die die Zukunft darstellen. So wie Sebastian Deisler, trotz seiner erst 21 Jahre unter Völler zum Spielmacher von internationalem Rang gewachsen, oder Gerald Asamoah (22), der wuchtige Schalker aus Ghana.

Noch haben diese Jungs nichts erreicht. Noch wirkt das deutsche Spiel bisweilen hölzern und die Abwehr ohne Libero nicht eben sattelfest, auch gegen Albanien war das so. Aber es gibt, Völler sei Dank, dennoch tatsächlich einen Hauch von Hoffnung, dass es doch, langsam und allmählich, wieder besser werden könnte mit dem deutschen Fußball. Auch wenn die deutschen Kicker vom nächsten Titel noch ein gutes Stück entfernt sind.

FRANK KETTERER

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