Anstoß zu neuer Diskussion

betr.: „ ‚Herstory‘ – ohne Geschichte“, taz vom 6. 6. 01

Ein sehr wichtiger Anstoß zu einer (hoffentlich) neuen Diskussion: Halina Bendkowski ist offenbar eine der wenigen Frauen, die – bei allem von ihr geäußerten Respekt für die Leistungen Alice Schwarzers – es nicht mehr hinnehmen wollen, wie diese sich in ihrer zunehmenden Selbstbezogenheit geriert, als habe es vor ihrer Zeit und außer ihr und ihrem nahen Umfeld in Deutschland weder bewegte Frauen noch Frauenbewegung gegeben.

Wenn Schwarzer mit wenigen Federstrichen den gerade in den frühen Jahren so enervierenden Kampf dieser Frauen wegwischt, vergisst sie und beleidigt damit all die Frauen, die von Anfang an, jahrelang und bis heute die – allerdings weniger medienwirksame – Wühlarbeit leisteten und leisten und damit das garantieren, was Frauen – und Männer – heute als selbstverständliche Errungenschaften erleben. Die faire Anerkennung historischer Leistungen, wie bei Halina Bendkowski zu erkennen, sucht man vergeblich. Statt nämlich die vielfältigen Chancen zu nutzen, diese Frauen frauensolidarisch zu würdigen, lässt Schwarzer sich im Medienzirkus um ihre Person und ihr neuestes Buch auf den Wogen marktträchtiger Triebkräfte von einer Talkshow zur nächsten reichen, immer öfter eben nicht nur personell, sondern auch inhaltlich in schwer erträglicher Allianz mit (erz-)moralkonservativen Vorzeigefrauen, die der Sache nicht nur der Frauen, sondern auch von Lesben, Schwulen und sonstigen so genannten Minderheiten mehr als abträglich sind.

Es ist an der Zeit, dass außer Halina Bendkowski auch andere Frauen – und Männer – in der Öffentlichkeit kundtun: Eine so verstandene Solidarität und solche Bündnisse waren es nicht, die die bisherigen Erfolge gebracht haben und die auch in Zukunft die immer noch so bitter nötigen Veränderungen für Frauen und für andere sozial benachteiligte Gruppen ermöglichen werden.

JANNIK BRAUCKMANN, Münster