Das Bremer Abi ist zu teuer und zu ineffektiv

■ Die Bildungsbehörde hält trotz der Kritik an ihren Plänen zur Reform der „Bremer“ gymnasialen Oberstufe fest. Ein internes Papier formuliert die Diskussions-Strategie

Die ersten Anläufe, die gymnasiale Oberstufe an Bremens Schulen zu reformieren, sind auf ein eher ablehnendes öffentliches Echo gestoßen. Insbesondere die SchülerInnen, aber auch Lehrer würden gern die derzeitige Situation weit gehender Wahlfreiheit bei den Grund- und Leistungskursen beibehalten. Der Bildungssenator will einen halben Schritt zurück zu dem alten Klassen-System gehen, nämlich wieder stärkere Lerngruppen mit einem Anteil von 20 gemeinsamen Unterrichtsstunden pro Woche schaffen. Für den bevorstehenden öffentlichen Streit hat die Bildungsbehörde ihre Argumentation noch einmal ausführlich intern begründet, immerhin soll die Reform im Herbst so rasch endgültig beschlossen werden, dass Eltern und SchülerInnen der zehnten Klassen Mitte Dezember darüber informiert werden können, was ab dem Sommer 2002 auf sie zukommt.

Ausgangspunkt ist eine Feststellung, die in dieser Form öffentlich bisher vermieden wurde: Bei „Abituraustauschen“ sei eine „Heterogenität bei Aufgabenstellung, Durchführung der mündlichen Abi-Prüfungen und der Bewertung von Prüfungsleistungen“ festgestellt worden.

Der Hintergrund: Wenn in Bremen Abiturprüfungen sind, sitzen an zwei ausgewählten Schulen Fachleiter oder Schulräte eines anderen Bundeslandes dabei. Umgekehrt reisen Bremer Schulräte zu einzelnen Abi-Prüfungen des jeweiligen Vergleichslandes. Über die Ergebnisse des Vergleichs wurde bisher immer strenges Stillschweigen gewahrt. Offenbar sind aber „Heterogenitäten“ festgestellt worden, aus denen die Bremer Bildungsbehörde Konsequenzen ziehen will. Die „Heterogenität“ sei „eine der Folgen dieser Vielfalt und Offenheit der Strukturen“ in Bremen, stellt das interne Papier der Bildungsbehörde fest. Bremens Oberschüler können in den Klassen 11 bis 13 zwischen 23 Leistungs- und 42 Grundkurs-Angeboten wählen, das sei „einzigartig“ im Ländervergleich. Der Personal(kosten)-Aufwand für dieses System ist hoch, die „Erwartungen an eine besondere Leistungsfähigkeit“ hätten sich derweil „nur unzureichend erfüllt“. Im Gegenteil: Die „Lernerträge“ in den Kernkompetenz-Bereichen Deutsch, Fremdsprachen, Geschichte/Politik und Mathematik/Naturwissenschaften seien „bei zu vielen Schülern nicht verlässlich genug“ – diese Fächer werden schlicht zu viel abgewählt.

Die Schlussfolgerungen unter dem Etikett „Kernkompetenzen“ liegen auf der Hand: es soll ab dem Schuljahr 2002/2003 für alle SchülerInnen verbindlich sein, die drei Jahre Oberstufen durchgehend zwei Fremdsprachen oder zwei Naturwissenschaften zu wählen. Außerdem soll der Lernbereich Geschichte/Politik in den drei Jahren verpflichtend werden. Ein drittes Abitur-Prüfungsfach soll vorwiegend aus diesem Fächerbereich gewählt werden.

Ein Problem des Bremer Schulsystems, so das Papier, ist die Heterogenität der Schüler des 11. Jahrganges: „An vielen Standorten“ einer gymnasialen Oberstufe kämen bis zu 50 Prozent der SchülerInnen nicht aus der gymnasialen Mittelstufe, sondern aus Realschul-Klassen. Während „leistungsfähige Schüler“ das 11. Jahr überspringen oder für einen Auslandsaufenthalt nutzen könnten, sollen für solche „Übergänger aus Real- und Gesamtschule und für schwächere Gymnasialschüler“ in der 11. Jahrgangsstufe „eigene Lerngruppen“ gebildet werden, in denen spezifischer „Defizitausgleich und „Methodentraining“ im Vordergrund stehen. Eine „verlässliche soziale Einbindung“ in feste Lerngruppen soll den einen besser als bisher ermöglichen, ihre Lernrückstände aufzuholen, ohne ein Jahr wiederholen zu müssen. Anderen soll das Angebot eines „beruflichen Gymnasiums“ gemacht werden, berufsbezogene Fächer sollen hier angesiedelt werden und nicht mehr in normalen Gymnasien das Ausweichen vor den Fächern der „Kernkompetenzen“ ermöglichen. Schon in der Mittelstufe der Sek I soll verstärkt auf ein naturwissenschaftliches Profil hingearbeitet werden. Und auch in den Jahrgängen 12 und 13 soll es wieder Klassen geben, „feste Lerngruppen“, die „etwa die Hälfte des Unterrichts“ zusammen sind. Das soll wieder mehr „tragfähige soziale Bezüge“ wie auch fächerüberegreifende Projektarbeit ermöglichen.

„Bis zur Sommerpause“ soll dieses Modell mit den betroffenen Lehrer-, Eltern- und Schülervertretungen erörtert werden, damit im Herbst Entscheidungen fallen können. Die Bildungsbehörde ahnt derweil, dass die Liebe zur „Individualisierung des Lernens“ in Bremen groß ist und rechnet mit „wenig Bereitschaft zu einer von Schulen und Lehrkräften getragenen umfassenden Weiterentwicklung“.

Die Personalversammlug der Lehrer hat die Pläne schon abgelehnt mit der Begründung, es handele sich „in Wirklichkeit nur um einen Versuch, erneut Lehrerstellen einzusparen“. K.W.