Law and Order in der Abschiebehaft

■ Grüne legen Gesetzentwurf vor: Die Umstände der Abschiebehaft sollen erstmals verbindlich geregelt werden / Der designierte CDU-Innensenator Kuno Böse: Ich bin längst dabei!

Die Grünen wollen endlich ein Gesetz, das die Unterbringung in Abschiebehaft regelt. Abschiebehäftlinge sind Flüchtlinge, die die Zeit bis zu ihrer Abschiebung in Haft verbringen müssen, weil die Behörden bei ihnen ein Abtauchen unterstellen. Bisher gilt für ihren Freiheitsentzug im Polizeipräsidium in der Vahr ein „Erlass über den Polizeigewahrsam“. Die Grünen kritisieren, dass dieser Erlass den Umständen, unter denen Menschen in Abschiebehaft leben, nicht gerecht werde: So fehlt eine Regelung über ihre soziale und medizinische Betreuung. Der gestern vorgestellte Gesetzentwurf soll ein für alle Mal dafür sorgen, dass inhaftierte Flüchtlinge eine menschenwürdige Unterbringung einklagen können.

Die CDU findet den Vorstoß überflüssig. „Die Grünen hinken mit ihrer Forderung der Realität hinterher“, verkündet der jetzige Staatsrat und zukünftige Innensenator Kuno Böse (CDU). Schließlich sei ein entsprechender Enwturf aus seinem Haus längst mit der Verwaltung abgestimmt worden und würde demnächst der Innen-Deputation vorgelegt.

„Das ist die bescheuertste Ausrede, die ich je gehört habe“, sagt der innenpolitische Sprecher der Grünen, Matthias Güldner. Im vergangenen Herbst fragte Güldner den noch amtierenden Innensenator Bernt Schulte (CDU), ob die Koalition wie angekündigt ein Gesetz verabschieden würde. Antwort Schultes: In dieser Legislaturperiode nicht mehr, die vorhandenen Regelungen reichten völlig aus.

Der innenpolitische Sprecher der SPD, Hermann Kleen, hatte auch nicht mehr daran geglaubt, dass sich SPD und CDU noch auf ein Gesetz einigen würden. Sein Kollege von der CDU, Rolf Herderhorst, habe gefordert, das Abschiebungsverfahren beim Justizsenator anzusiedeln. „Das lehne ich ab, weil es sich bei Abschiebehäftlingen nicht um Strafgefangene handelt“, sagt Kleen. Entsprechend überrascht war Kleen auch, als Böse bei der letzten Deputationssitzung plötzlich Eckpunkte seines Gesetzentwurfs aus der Tasche zauberte. „Mit dem, was ich bisher über den Entwurf weiß, kann ich leben“, sagt Kleen.

Wie die Grünen will Böse einen Beirat, der die Praxis des Abschiebegewahrsams kontrolliert. In beiden Entwürfen soll die soziale und medizinische Betreuung gesichert sein. Von Herderhorsts Idee, Abschiebehäftlinge in den Strafvollzug zu stecken, hält Böse nichts. „Das sind keine Strafgefangenen, sondern freie Menschen“ – nur eben in Abschiebehaft. Mit Herderhorst, dem innenpolitischen Sprecher seiner Partei, müsse er deshalb noch reden. „Die politische Abstimmung muss noch erfolgen.“

Böse findet es durchaus nicht verwunderlich, dass sich die CDU um das Wohl von Abschiebehäftlingen sorgt: „Das liegt in der Person Böse begründet.“ In seiner Zeit als Berliner Staatssekretär für Inneres habe er 1995 das erste Abschiebehaftgesetz auf Länderebene auf den Weg gebracht – nur Rheinland-Pfalz und Brandenburg haben bisher ähnliche Regelungen. Mit einer gesetzlichen Regelung würden dann klare Verhältnisse geschaffen. „Dann hört endlich diese ideologische Diskussion mit den Grünen auf, die Abschiebung für etwas Verwerfliches halten.“

Vorfälle wie im vergangenen Herbst, als eine 15-jährige Bulgarin neun Tage alleine in das Vahrer Gefängnis gesteckt wurde, seien bedauerlich und würden mit dem neuen Gesetz nicht mehr vorkommen.

Darauf hofft auch Ghislaine Valter, die seit 1994 Flüchtlinge in Abschiebehaft betreut. Sie ist es leid, immer wieder neue Skandale an die Presse „verkaufen“ zu müssen, damit sich jemand für das Schicksal der Abschiebehäftlinge zuständig fühlt.

Eiken Bruhn