Was kümmern die Sachsen Affären?

Nie war eine Kommunalwahl in Sachsen so herbeigesehnt wie diese: Die nicht enden wollenden Affären des Kurt Biedenkopf haben sowohl die CDU als auch die Opposition stark verunsichert. Das Wahlergebnis könnte „Bikos“ Zukunft entscheiden

von NICK REIMER

Nach außen gibt sich die sächsische Union siegesgewiss. „Die Leute draußen interessiert nicht, was alles an angeblichen Affären herbeigeredet wird“, glaubt etwa Generalsekretär Frank Kupfer. Im Inneren allerdings ist die Biedenkopf-Partei tief verunsichert. Am Sonntag finden im bevölkerungsreichsten Bundesland Ostdeutschlands Kommunalwahlen statt. Spätestens das Wahlergebnis wird zeigen, ob der Generalsekretär Recht hat.

„Paunsdorf-Affäre“, „Putzfrauenaffäre“, „Mietaffäre“, „Dienstwagenaffäre“, „Traumschiffaffäre“ – selbst wirklich Interessierten fällt es inzwischen schwer, den groben Überblick über die Vorwürfe gegen Ministerpräsident Kurt Biedenkopf zu behalten. Die jüngsten richten sich gegen den Abgeordneten Biedenkopf. Der nämlich erhält – wie jeder sächsische Parlamentarier – für den Unterhalt eines Abgeordnetenbüros monatlich 2.160 Mark, für seine Mitarbeiterin monatlich 3.920 Mark. „Biedenkopf hat über Jahre keine Miete für ein Abgeordnetenbüro gezahlt“, hat nun PDS-Fraktionschef Peter Porsch herausgefunden. Seine Mitarbeiterin, die nach Paragraf 6 des Abgeordnetengesetzes ausschließlich bei der parlamentarischen Arbeit helfen darf, sei über Jahre hinweg im Büro von Ehefrau Ingrid beschäftigt gewesen. Porsch: „Biedenkopf hat gegen geltendes Recht verstoßen. Er muss zurückzahlen – bis zu 350.000 Mark“. Landtagssprecher Ivo Klatte bestätigte, dass der Landtag die Vorwürfe prüft. Die Staatskanzlei jedenfalls erklärte, dass Biedenkopfs Mitarbeiterin nie für Kurt, sondern stets für die Ehefrau Biedenkopf gearbeitet habe – zusätzlich zu den vom Landtag gebilligten Ehefrauen-Kräften. Die „Diätenaffäre“ ist perfekt.

„Die letzte Schlacht“, titelte gerade die Sächsische Zeitung – „Kurt Biedenkopf ringt um den aufrechten Abgang.“ Eine sehr schöne Schlagzeile. „Gut unterrichtete Kreise“ gehen davon aus, dass der Alte spätestens im Sommer das Handtuch hinwirft. Auf den Leserbriefseiten steht etwas anderes: „Obwohl ich kein CDU-Wähler bin, finde ich den Rufmord gegen Sachsens Ministerpräsidenten und seine Ehefrau schäbig.“ In der Tat gibt es derzeit kaum eine Umfrage, kaum ein Signal aus dem Sachsenvolke, das nicht sagt: Lasst unseren Kurt in Ruhe. In den Dresdner Neuesten Nachrichten appelliert der Meißner Tobias Reinsch „an alle Landeskinder, sich gegen die Anti-Biedenkopf-Kampagne aufzulehnen“. In der Leipziger Volkszeitung klärt ein Leser auf: „Diese Hatz auf den Ministerpräsidenten, veranstaltet durch SPD, PDS und hauptsächlich die SPD-gelenkten Medien, ist abartig.“

Die Sachsen scheint nicht einmal zu interessieren, dass gegen Biedenkopf mittlerweile fünf Strafanzeigen vorliegen. Das wiederum verunsichert die Oppossition. SPD-Fraktionschef Thomas Jurk beeilte sich gestern zur neuen Diätenaffäre zu erklären: „Rückzahlungen sind nicht nötig.“ Schließlich seien keine nennenswerten Mehrkosten für den Staat entstanden. Wenn die CDU am Sonntag starke Stimmverluste verzeichnet, wird Jurk natürlich wieder draufhauen.