Diepgen vor Abwahl

Wowereit soll mit PDS-Stimmen Bürgermeister werden. CDU greift zu persönlichen Attacken und beklagt Verrat an der deutschen Geschichte

BERLIN taz ■ Am kommenden Wochenende will die SPD mit einem konstruktiven Misstrauensvotum im Abgeordnetenhaus den langjährigen Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) durch ihren Fraktionschef Klaus Wowereit ersetzen. Diesen Entschluss fassten die Berliner SPD-Spitzen gestern, nachdem klargeworden war, dass sich die CDU nicht auf Neuwahlen im September einlassen wird.

Bündnis 90/Die Grünen und die PDS signalisierten, ihre Fraktionen würden eine Abwahl Diepgens und eine Wahl Wowereits mittragen. Der SPD-geführte Senat will dann Neuwahlen zum 23. September durchsetzen und nur als Übergangsregierung fungieren. Der designierte Regierende Bürgermeister in spe, Klaus Wowereit erklärte: „Wir brauchen eine von den Wählern legitimierte Regierung.“

„Wozu brauchen wir noch Neuwahlen, wenn es eine neue Regierung gibt?“, fragte CDU-Fraktionschef Frank Steffel gestern. Steffel selbst hatte ebenso wie Eberhard Diepgen noch am Mittwoch angedeutet, die Union sei bereit, den Weg für Neuwahlen freizumachen. In einer CDU-Fraktionssitzung am späten Mittwochabend war hingegen die Mehrheit der Abgeordneten übereingekommen, sich einem schnellen Verfahren zur Auflösung des Abgeordnetenhauses zu verweigern und so die SPD quasi zur Kooperation mit der PDS zu zwingen.

„Wir werden es nicht verhindern können, dass ein neuer Senat gebildet wird“, konstatierte Steffel gestern. Mit seiner Fraktion rede niemand mehr. Ihre strategische Defensive kompensierte die Berliner Union gestern durch Angriffe auf die SPD und ihren designierten Spitzenkandidaten Wowereit. Im Hinblick auf die sozialdemokratische Partei bemühten Unionspolitiker vor allem die Geschichte der deutschen Teilung. Steffel wies darauf hin, dass die Abwahl Diepgens drei Tage vor dem 17. Juni stattfinden solle, „dem Tag der blutigen Niederschlagung des Arbeiteraufstands in der DDR vor 48 Jahren“.

Klaus Wowereit wurde von CDU-Politikern vor allem persönlich angegriffen. Der CDU-Haushaltsexperte Alexander Kaczmarek begründete die Ablehnung der SPD, Diepgen im Amt zu belassen: „Dazu ist Klaus Wowereit viel zu scharf darauf, selbst als Grüß-August durch die Stadt zu laufen.“ ROBIN ALEXANDER