Skillz en miniature

■ Brüchig aber spannend: Der Vegesacker Kulturbahnhof macht es sich mit der Kulturreihe „respect!“ nicht leicht

Zum dritten Mal bereits veranstaltet der Vegesacker Kulturbahnhof seine Jugendkulturwochen unter dem Titel „respect!“. Wie schwer aller Anfang sein kann, davon weiß auch der künstlerische Leiter Hans König ein Lied zu singen. Schließlich ist Bremen-Nord, was jugendkulturelle Angebote angeht, nicht eben gut bestückt ist. So ist „respect!“ auch ein Versuch, Jugendliche aus Nord in das dortige Kulturleben einzubinden. Erfreulich: „Zum ersten Mal scheint das Konzept aufzugehen“, sagt König, „es ist uns gelungen, die anzusprechen, die wir auch ansprechen wollen.“

Das alles klingt, zugegeben, ziemlich soziokulturell. Und genau so ist es auch gemeint. Und doch irgendwie anders. Seit HipHop und Streetculture hierzulande sich zu etablieren begannen, wurde auf schmalem Grat gewandelt. Zwei der wichtigsten Unstimmigkeiten :Weiße Mittelstandskids interessierten sich für (wenn zum Teil auch nur noch zu erahnende) Ghetto-Culture, was eine schräge Aneignung bedeutete, denn sie hatten keine Selbstermächtigung nötig, ihre Anliegen mussten nicht zur Sprache gebracht werden. Zum anderen schien sich gerade Streetculture für integrative Projekte in den so genannten Brennpunkten zu eignen. Auch das nicht unproblematisch, läuft man doch Gefahr, den dort lebenden Jugendlichen etwas Eigenes wegzunehmen.

Diese Überlegungen zu Grunde gelegt, versteht man auch die Erleichterung auf Hans Königs Gesicht, denn der Auftakt des diesjährigen „respect!“-Festivals ging auf. Deutsche, türkische, libanesische und andere Jugendliche beiderlei Geschlechts nahmen das Angebot wahr an einer Reimschule teilzunehmen. „Ein voller Erfolg“, wie auch der Workshopleiter Bastian Böttcher bestätigt. Augenscheinlich hat ihm die Woche Spaß gemacht. Warum alles so gut funktioniert hat, wird unter anderem in dem deutlich, wie er erzählt. Auch er trifft Unterscheidungen, allerdings nicht so sehr entlang möglicher sozialer oder kultureller Bruchlinien, sondern er redet darüber, wie unterschiedliche Skills zusammenzubringen sind. „Einige waren dabei, die schon eine Menge drauf hatten und die Spaß dran hatten, ihren Style weiter zu verfeinern. Andere wollten anfangen – vom Hören zum Selbermachen: Wie funktioniert ein Rap, wie kommt er mit den Cuts und Scratches des DJs zusammen.“

In einem dicken Wollpullover, die aktuelle Ausgabe der „Zeit“ unter den Arm geklemmt, kommt der Rapper der Bremer Formation „Zentrifugal“, der jetzt in Weimar, eigentlich aber „überall und nirgends“ lebt, in den Kulturbahnhof. In einigen Minuten beginnt der Abschlussabend der Reimschule; ein wenig Zeit bleibt noch zum reden. Böttcher ist ein Wanderer zwischen den Welten, am nächsten Tag fahre er nach Leipzig, um bei der Deutschen Literaturkonferenz an einer Podiumsdiskussion teilzunehmen. Sein Thema: Objektorientierte Poesie. Vielleicht bringt Böttcher so viel Fingerspitzengefühl mit, weil er unterschiedlichste Szenen kennt, weil er als Rapper immer schon lyrisch unterwegs war, es nie nötig hatte, sich in unglaubwürdigen Ghetto-Posen zu ergehen. „Ich habe es nicht nötig, meine Situation zur Sprache zu bringen, viele der jenigen, die hier teilnehmen schon.“

Eine Mischung aus Unaufgeregtheit und Charisma ist seiner Person eigen. Darum wirkt er integrierend. Kein Zufall, dass dies Abschlusskonzert immer dann funktioniert, wenn er sich auf der Bühne bewegt, auch ohne etwas zu tun. Er ist da, ihm vertrauen die Jugendlichen. Und doch fördert dieser Abend auch einiges zutage, was die Schwierigkeiten in Nord verdeutlicht. Immer wieder droht das ganze Ding zu kippen, weil die einen rausgehen, wenn ihre Jungs gerade nicht dran sind. Und umgekehrt. Die Ergebnisse des workshops indes sind beachtlich. Es wird auf Deutsch, Englisch und Türkisch gerappt. Die Brüder Hikmet und Gürhan verbinden straighte Rhymes mit einer wunderschönen 80er-Chorus, die mehrheitlich 16jährigen „Weserpoeten“ legen eine nette Freestyle-Session hin. Nicht alle haben sich auf die Bühne getraut. Und das gemeinsame Arbeiten lief wohl harmonischer ab als dieser Abend. Aber HipHop ist eben HipHop und keine Problemlösungsstrategie.

Bis Ende des Monats gibt es noch weiter Aktionen. Graffiti-Aktionen vom 11. bis 13., am 16. dann einen gut besetzten Jam mit MC René und Skills en Masse, schließlich die Schul-Aus-Party am 27. und „King Kongs Töchter“, eine Aufführung der Jugendtheatergruppe im KuBa. Ein Programm, bei dem sich auch Ältere und StadtbremerInnen ruhig blicken lassen können. Aus „respect!“ – nicht nur vor den Lebenswelten der Jugendlichen, sondern auch vorm Engagement der KuBa-Leute.

Tim Schomacker

Genauere Infos zu den einzelnen Veranstaltungen unter 650060.