Bessere Werbung, bitte!

Sebastian Turner wollte sich bei Dussmann mit Frédéric Beigbeder partout nicht streiten

Man hätte Frédéric Beigbeder den Gefallen tun müssen, ihm ein streitbares Gegenüber zu besorgen, einen Werber oder eine Werberin, die ihren Berufsstand nicht durch einen Skandalroman aus Frankreich in den Schmutz gezogen sehen möchten. Doch im Streitgespräch zwischen dem Kreativchef von Scholz & Friends, Sebastian Turner, und dem Pariser Autor war der Repräsentant der von Beigbeder Angeklagten nicht so recht bereit, den Advocatus Diaboli zu spielen.

Nachdem Beigbeder im Kulturkaufhaus Dussmann ein wenig aus „39,90“ vorgelesen und nochmals den Weg der Entfremdung seines Antihelden Octave von sich selbst nachgezeichnet hatte, begann der spannendere Teil des Abends, und hier konnte keinerlei Zweifel daran herrschen, dass Beigbeder sich auf das Zwiegespräch gefreut hatte. Sein Gegner und der aller Menschen, die nicht mehr von der Allmacht der Werbeindustrie geknechtet werden wollen, saß direkt neben ihm, weswegen er es nicht unterlassen konnte, mit der Aufforderung „Let’s fight!“ in die Schlacht zu ziehen.

Doch von Anfang an begab sich Turner selbst in die Opferrolle. Schuld an schlechter Werbung seien nicht die Werber, sondern die Auftraggeber und vor allem die Menschen selbst, die auf schlechte Werbung hereinfallen, anstatt sich ihrer eigenen Macht bewusst zu werden und beispielsweise sexistisch beworbene Produkte einfach zu boykottieren.

Turner gab zu, selbst ein Identitätsproblem zu haben, genauso wie Octave, und „die meisten Werber erkennen sich darin wieder“, in der Welt aus Zynismus, in der sich in „39,90“ die Werbebranche bewegt. Und er, Sebastian Turner, selbst Autor des Buches „Spring!“, das „das Geheimnis erfolgreicher Werbung“ zu enthüllen verspricht, wandte sich an das Publikum und flehte es an: „Helfen Sie uns. Kaufen Sie nicht die Sachen, die schlecht beworben werden!“

Hat Beigbeder womöglich sein Buch geschrieben, um nicht nur die unmündigen Konsumenten endlich zu erwecken, sondern um Leuten wie Turner mit Ocatve ein kokainabhängiges Monster als Abschreckung zu servieren? Unterstützung von der falschen Seite, das wollte Beigbeder nicht. „In Frankreich schnauzen wir uns gegenseitig an. Hier nicht. Das wird schnell langweilig“, murrte er. Doch Turner blieb dabei, es gehe ihm um dasselbe wie Beigbeder: um bessere Werbung und aufgewecktere Empfänger derselben. Beigbeder griff immer wieder an: „Was ist das für ein Gefühl, wenn man die Herrschaft übernommen hat?“ Turner: „Ich habe keine Macht, die Leute machen, was sie wollen. Man ist kein Kontrolleur, sondern Impulsgeber.“

Irgendwann rückte Turner dann doch noch mit einer Menge kruder Thesen heraus und drehte alles um, was Naomi Klein in ihrem Erfolgsbuch „No Logo“ gegen die Macht der Marken zusammengetragen hat. Bei ihm klang es so, als ob sich Marken freiwillig um die Zustände in Sweatshops kümmern würden, und es gipfelte in der Feststellung: „Scharfer Wettbewerb führt zum Wohl des Menschen.“ Da bekam man dann doch noch die zwei Positionen, die sich unerbittlich gegenüberstehen. Hier: entfesselter Kapitalismus. Dort: Was kann man dagegen tun?

Die Antwort darauf konnte man sich selbst geben: Kaufen oder nicht kaufen. Im Kulturkaufhaus Dussmann gibt es die Möglichkeit zur politisch motivierten Konsumtion Mo.–Sa. von 10 bis 22 Uhr. ANDREAS HARTMANN