Drängeln für die Neuwahl

Am Samstag starteten FDP, Grüne, PDS und die Initiative „Neuwahlen jetzt!“ ihre Unterschriftensammlung. An über 120 Ständen in der Stadt stimmten Bürger für Neuwahlen. 27.789 Unterschriften kamen am Wochenende zusammen

Der Run auf die schlichten schwarzweißem Unterschriftenformulare begann, bevor die Stände der Parteien und der Initiative „Neuwahlen jetzt!“ auf dem Alexanderplatz überhaupt aufgebaut waren. Ungeduldig warteten einige hundert Berliner und Berlinerinnen schon ab halb zehn Uhr morgens rings um den „Brunnen der Völkerfreundschaft“ darauf, „gegen Diepgen und den CDU-Filz“ abstimmen zu können, wie es eine 60-Jährige aus Treptow unter dem zustimmenden Nicken der Umstehenden formulierte.

Als die Sonnenschirme mit den Parteilogos, die Tapeziertische und die Pappkartons mit den Unterschriftenzetteln schließlich standen, drängten sich erst einmal die roten, grünen und liberalen Stars und Sternchen aus dem Berliner Abgeordnetenhaus und dem Bundestag an den Wartenden vorbei ins Blitzlichtgewitter der Fotografen. Gut gelaunt posierte PDS-Hoffungsträger Gregor Gysi Seite an Seite mit FDP-Stehaufmännchen Günter Rexrodt und den bündnisgrünen Landessprechern Regina Michalik und Till Heyer-Stuffer neben dem schlichten, orangefarbenen Plakat „Neuwahlen jetzt“.

Und dann durften endlich alle unterschreiben. Die jung-dynamischen Anzugträger bei der FDP, die älteren Ehepaare in den hellbeigen Sommerjacken am Stand der PDS und die Generation der 40-Jährigen bei den Grünen. Obwohl die Formulare mit dem Satz „Wir beantragen die Neuwahl des Abgeordnetenhauses von Berlin durch vorzeitige Beendigung der gegenwärtigen 14. Wahlperiode“ an allen Ständen dieselben sind, unterschrieben die meisten je nach politischer Vorliebe.

„Ich wünsche mir, dass die Neuwahlen schnell kommen und die PDS den Sprung über die 20 Prozent schafft“, sagt der ergraute Bauingenieur aus Marzahn neben einem Turnschuh-Plakat mit dem kleinen Schriftzug „Ebi“ und der Aufforderung „Geben wir ihm den Laufpass“. Am Stand der Grünen vor dem Gebäude der Bankengesellschaft herrschte Volksfest- und Wiedersehensstimmung: Lächelnde AL-Aktivisten der ersten Stunde fallen sich in die Arme und schwärmen nostalgisch von dem erfolgreichen Volksbegehren 1981. Das ist längst Geschichte, doch auch damals ging es um Filz.

Exbundesgesundheitsministerin Andrea Fischer wiegelt Spekulationen um ihre mögliche Spitzenkandidatur ab. Als plötzlich die Stimme von Günter Rexrodt, dem das FDP-Team eigens ein Rednerpult mit Verstärkeranlage und Sonnendach aufgebaut hat, über den Alexanderplatz schallt, zuckt nicht nur Andrea Fischer zusammen. „Kriegsgewinnler“, lautet ihr knapper Kommentar zur FDP. Am PDS-Stand wird über die „außerparlamentarische Opposition FDP“ gewitzelt. Während die PDS am Wochenende mit über 70 Ständen in fast allen Bezirken präsent war und die Grünen immerhin noch fast 30 Stände aufbauten, lag die FDP abgeschlagen zurück. Mit dem Ende der großen Koalition am Donnerstag vergangener Woche habe eben „der Wahlkampf begonnen“, sagt PDS-Landesvorsitzende Petra Pau.

Kurzfristig jedoch schmiedet das gemeinsame Ziel, mit dem Volksbegehren den Druck auf die CDU zu erhöhen und die Wähler zu mobilisieren, die ungleichen Bündnispartner zusammen. Bei der überparteilichen Initiative „Neuwahlen jetzt!“ ist man jedenfalls hoch zufrieden über die Resonanz. Am Sonntagmittag hatten die Helfer 27.789 Unterschriften gezählt. Bis zum Ende der Woche will man die benötigten 50.000 unterschriebenen Formulare gesammelt haben.

HEIKE KLEFFNER

Infos: www.neuwahlen-jetzt.de