Hitchhikers Lächeln

Songs, die von den einfachsten Wahrheiten des Lebens handeln: Die amerikanische Folkmusikerin Victoria Williams spielt mit ihrem Mann Mark Olson in der Kulturbrauerei

Wäre diese Welt eine gerechte, dann würden nicht Sheryl Crow oder Fiona Apple Millionen von Platten verkaufen, sondern Victoria Williams. Wäre diese Welt gerecht, würde Victoria Williams nicht mit anderen Frauen verglichen, sondern mit männlichen Kollegen wie Elliott Smith oder Vic Chesnut. Wäre die Welt nur halbwegs gerecht, müsste Victoria Williams nicht mit einer tödlichen Krankheit kämpfen.

Williams ist noch keine 20 Jahre alt, als sie Ende der 80er aus Louisiana nach Los Angeles geht, um Musik zu machen. 1987 bringt sie ihre erste Platte heraus, der notorische D. A. Pennebaker dreht einen Dokumentarfilm über sie, Neil Young nimmt sie mit auf Tour. Die Karriere entwickelt sich langsam, aber stetig bis 1992. Dann erkrankt Williams an Multipler Sklerose. Sie ist, wie viele andere in den USA, nicht krankenversichert. Sollte sie die Krankheit überstehen, droht ihr immer noch die Pleite. Um sie zu unterstützen, nehmen Musikerkollegen ein Benefiz-Album auf. Auf „Sweet Relief“ covern Musiker wie Lou Reed, Pearl Jam oder Soul Asylum Songs von Williams. Die Compilation verkauft sich besser als jede ihrer eigenen Platten zuvor, macht Williams erstmals einem größeren Publikum bekannt und finanziert zudem ihre medizinische Versorgung. Die Erlöse sind gar so gut, dass Williams damit den Sweet-Relief-Fund gründet, eine Stiftung, die nun andere Musiker mit gesundheitlichen Problemen unterstützt.

Sie selbst ist immer noch nicht geheilt, kann aber wieder arbeiten, auch dank Marihuana, das in Kalifornien für medizinische Zwecke legal ist. Mittlerweile wohnt die 41-Jährige mitten in der Wüste, malt, macht Musik und pflanzt begeistert Obst- und Mandelbäume. Auch in ihren Songs beschreibt sie die einfachsten Wahrheiten und Schönheiten des Lebens, ob es ein bequemes Paar Schuhe ist, der Geschmack eines Schlucks Wasser oder der kühlende Schatten an einem heißen Tag. Es sind die Dinge, die bleiben, wenn man gelernt hat mit so einer Krankheit zu leben, mit der Todesangst als sehr konkrete Erfahrung. Auch musikalisch hat Williams lange schon ihre Möglichkeiten erweitert. Auf ihrem aktuellen Album „Water To Drink“ finden sich neben dem Folkrock ihrer Anfangstage auch Stücke voller Popsüßlichkeit und elegische Americana. Ja, sogar südamerikanische Anleihen gibt es, Van Dyke Parks hat ihr die Streicherarrangements geschrieben, und ein paar Jazzer wurden als Studiomusiker verpflichtet. Mancher Chorus kommt so federleicht daher, als hätten Air zu viel Easy Listening durch ihre Computer gejagt, und mancher Song wirkt, als wäre er in einem Kaffeehaus in den 20ern aufgenommen worden.

Dieses weite musikalische Spektrum wird auf der Bühne natürlich nur bedingt umsetzbar sein. Da Williams mit ihrem Mann, dem Ex-Jayhawk Mark Olson, und dem gemeinsamen Projekt Original Harmony Ridge Creekdippers unterwegs ist, werden wohl eher Country-Rock und Folk die Grundlage bieten für die Texte einer der besten Singer/SongwriterInnen, die es momentan gibt. THOMAS WINKLER

Heute, 21 Uhr, Prenzl’ life is live (Gelände der Kulturbrauerei) Schönhauser Allee 36–39, Prenzlauer Berg