amerika: flughäfen und lockenwickler von IRA STRÜBEL
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Es liegt wohl in der Natur von Reisen während Konjunkturkrisen, dass man bei Ortswechseln stets zu Zeiten in Flughäfen verkehrt, da diese ihre Morgentoilette noch nicht erledigt haben. Manche Flughäfen tragen dann ungeniert Lockenwickler und Gurkenmasken. Manche öffnen die Tür nackt, hässlich und ohne Makeup. Einige Airports sind auch dann bezaubernd und voller Verve. Und andere erwischt man bei der Ausübung ihres Alkoholproblems.

Der Flughafen von Detroit zum Beispiel: Er dient vor allem als Umsteigestation für Flüge der Northwest Airlines. Das ist ja an sich noch nichts Schlechtes. Aber man merkt dem Flughafen an, dass er darob erbittert ist, und ich glaube, er trinkt: Zermürbte Sitzbänke liegen ungetröstet auf dem trist verschmutzten Teppich, und Passanten gehen achtlos vorüber. Kunstlederstühle werfen ihre geplatzten Lippen zu stummen Klageliedern auf. Gebrochenes Bodenpersonal fertigt die Kundschaft ab, als ginge es, ja man muss es so sagen, nur um Abfertigung.

Erdrückende Stimmung macht die Gates zu verglasten Pforten der Hölle. Und sieht man die jungen Autodesigner, die überall herumsitzen und nervös vor sich hinkritzeln, wird klar, warum so mancher Kleinwagen einer rollenden Clownsnase gleicht: Detroit erweckt eine Sehnsucht nach Aufmunterung, derer man sich nicht erwehren kann. Verstehen Sie mich nicht falsch: Architektur sollte man keinem Flughafen vorwerfen. Oft stammen die Flughäfen aus einer Zeit, in der man dachte, Plattenbauten seien hip oder Asbest nicht schädlich. Worum es geht, ist: Wie aufrecht altert die Anlage, wie würdelos verhält sie sich im Angesicht des Fluggasts?

Der Flughafen von Los Angeles etwa, in Fachkreisen auch als LAX bezeichnet, tut sein Bestes, dem Kürzel nicht gerecht zu werden: mangelnde Modernität wird bei der Ankunft durch mehrfache spiegelbebrillte Kontrollen sowie bellende Immigration Officers ausgeglichen. Beim Abflug wird man gezwungen, das eigene Gepäck demütig in eine altmodische Röntgenmaschine am anderen Ende des Terminals zu schleppen. Wenn man zu zweit ist, wird eine Person derweil am Eincheck-Schalter festgehalten. Kurzum: Was dem Gebäude an Imposanz fehlt, macht die Belegschaft durch herrisches Verhalten wett. So fühlt man sich in diesem Airport zwar nicht wohl, aber doch sicher, sofern man nicht Carlos heißt.

Am angenehmsten allerdings ist noch immer der Flughafen von Chicago. Nicht nur wird man hier durch ständigen Abfluggatewechsel und sich verlängernde Verspätungen stets aufs Neue gut unterhalten. Nein, der Flughafen bietet darüber hinaus ein Sauriergerippe sowie eine psychedelische Unterführung, die sich gewaschen hat, inklusive Plingplongmusik. Auf Förderbändern fährt man dort durch einen farbig wogenden Lichtkanal.

Man vergisst sich selbst, man lauscht, man staunt, man freut sich. Dort, in der Unterführung von O’Hare, war ich einen Moment lang glücklich. Und wenn das nur an den unterschwelligen Antivandalismus-Botschaften in der Beschallung gelegen hat, ist es mir auch egal.