Box-Welt zurechtgerückt

Mit Lob für die Kampfrichter und sieben Titeln verabschiedet sich Kuba von der WM

BERLIN taz ■ „Die Schmach von Houston ist getilgt“, freute sich Kubas oberster Sportfunktionär Humberto Rodríguez. Als „Triumph der Moral, der Wahrheit und Gerechtigkeit“ feierte der Präsident des Nationalen Sportinstituts den beeindruckenden Auftritt der kubanischen Staffel bei der Box-Weltmeisterschaft in Belfast. Siebenmal Gold, das war auch ein Einstand ganz nach Maß für Sarvelio Fuentes, den neuen kubanischen Chefcoach. Nur noch vier Boxer aus der Olympiastaffel waren dabei, und die Runderneuerung geht einher mit einer neuen Mentalität im kubanischen Boxsport. Fuentes lässt sich nicht zu markigen Sprüchen und optimistischen Prognosen hinreißen, sondern tritt wesentlich zurückhaltender als sein Vorgänger Alcides Sagarra auf. „Das letzte Wort wird im Ring gesprochen“, ist sein Credo gegenüber den Journalisten, und damit ist Fuentes gut gefahren.

Penibel hatte er seine Staffel auf Belfast vorbereitet. Höhentraining in Ecuador stand auf dem Programm, bevor es ins Trainingslager in die Türkei ging, wo Fuentes seinen Schützlingen den letzten Schliff verpasste. Vom Besuch der kubanischen Staffel haben auch die Faustkämpfer vom Bosporus profitiert. Sie landeten hinter den Russen mit je einer goldenen, silbernen und bronzenen Medaille auf dem dritten Platz der Nationenwertung. Auch ein kleiner Erfolg der kubanischen Boxschule, die einige Trainer gegen harte US-Dollar an die Türkei ausgeliehen hat.

Rund 300 Trainer sind es derzeit, die in weltweit 50 Ländern kubanische Boxphilosophie weitergeben und für einen kontinuierlichen Dollarfluss sorgen. Auch am Erfolg der französischen Staffel, die mit einer Goldmedaille und einmal Bronze im Gepäck zurückreiste, haben die Kubaner ihren Anteil. Mit Pedro Roque, dem derzeitigen Trainer der Jugendmannschaft, arbeitete die Nummer zwei des kubanischen Box-Establishments einige Jahre an der Seine und sorgte für den Anschluss an die internationale Spitze.

Die dominiert nun wieder Kuba mit weitem Abstand vor den Russen, die mit zwei goldenen und drei bronzenen Medaillen hinter den eigenen Erwartungen zurückblieben. Auch die USA, die die Rangliste in Houston 1999 anführten, wo die Kubaner aus Protest gegen die Kampfrichter vor dem zweiten Finaltag abreisten, fielen mit ihrer No-Name-Staffel zurück.

Insgeheim mehr erhofft hatten sich auch die Deutschen, obgleich Bundestrainer Helmut Ranze von vornherein auf die Euphoriebremse gedrückt hatte und auch nur mit acht Boxern nach Belfast gereist war. Einzig Witali Boot sorgte mit seiner Bronzemedaille für einen Achtungserfolg. Er scheiterte im Halbfinale im Superschwergewicht am späteren Weltmeister Ruslan Chagajew aus Usbekistan. Der Olympiadritte von Sydney im Schwergewicht, Sebastian Köber, zuvor als einzige deutsche Medaillenhoffung gehandelt, schied im Viertelfinale aus.

In seiner Gewichtsklasse trat Odlanier Solís in die Fußstapfen des dreimaligen Olympiasiegers Félix Savón, der in der Ringecke mit seinem Nachfolger fieberte. Solís setzte sich bei seiner ersten Weltmeisterschaft recht souverän durch. Noch dynamischer als Solís agierte im Leichtgewicht Mario Kindelán, der sich den Titel des besten Boxers des Turniers nicht nehmen ließ. Für die Kubaner das i-Tüpfelchen der aus ihrer Sicht perfekt verlaufenen Weltmeisterschaft. Die stand erstmals seit vier Jahren nicht im Zeichen fadenscheiniger Schiedsrichterentscheidungen – ein echter Erfolg für den Amateurboxsport.

KNUT HENKEL