Mehr Schutz für Beschäftigte

Gesetz der linken Regierung in Frankreich erschwert Entlassungen in Betrieben. Sozialdemokraten kamen Forderungen der Kommunisten entgegen

Das französische Gesetz: „ein Fortschritt und ein Fanal für andere Länder“

PARIS taz ■ Darüber, dass eine „soziale Modernisierung“ nötig ist, herrscht in Frankreich Einigkeit. Zumindest bei den Parteien der rot-rosa-grünen Regierung. Das haben zuletzt die Massenentlassungen bei großen Konzernen, die gleichzeitig große Börsenerfolge haben, deutlich gemacht.

Angefangen bei dem Reifenhersteller Michelin über den Lebensmittelmulti Danone bis hin zu dem Elektrogerätehersteller Moulinex und Kleider- und Schuhfabrikanten wollen sie hunderte, in einigen Fällen tausende Beschäftigte entlassen. Wenn die Firmen ihr Personal überhaupt direkt informieren, dann erst im allerletzten Moment. Ein Mitspracherecht gewähren sie nicht.

Darüber, wie die Modernisierung in den Unternehmen aussehen soll, sind die seit 1997 zusammenarbeitenden Parteien der Pariser Regierungskoalition zerstrittener als je zuvor. Ihre Vorschläge reichen von „mehr Information für die Beschäftigten“ bei den Sozialdemokraten bis zu der Wiedereinführung der in den 80er-Jahren abgeschafften „behördlichen Genehmigung von Sozialplänen“ bei den Kommunisten. Außerparlamentarische linke Parteien und Gewerkschaften gehen entschieden weiter: Sie verlangen das Verbot von Entlassungen in Unternehmen, die Gewinne machen. Bei der zentralen Pariser Demonstration gegen Massenentlassungen am vergangenen Wochenende brachten sie mehrere zehntausend Menschen unter dieser Forderung auf die Straße.

Ende Mai musste die sozialdemokratische Arbeitsministerin Elisabeth Guigou ihren seit Jahren vorbereiteten Gesetzentwurf zur „sozialen Modernisierung“ kurz vor der geplanten Abstimmung im Parlament zurückziehen. Die linken Koalitionspartner hatten ihre Zustimmung verweigert. Das Gesetz ging ihnen nicht weit genug. Sie fanden es zu sehr auf die Form beschränkt. Heute Nachmittag startet Guigou einen neuen Versuch. In der Zwischenzeit fanden Verhandlungen statt, in denen sie versucht hat, ihren linken Kritikern und Koalitionspartnern entgegenzukommen. Sie hat die Fristen für Lohnfortzahlungen für aus wirtschaftlichen Gründen Entlassene verlängert. Sie hat die Kontrollmöglichkeiten von Arbeitsinspektoren in Unternehmen, die Massenentlassungen planen, vergrößert. Sie will den Betriebsräten statt dem bisherigen Informationsrecht ein Konsultationsrecht gewähren. Und sie verhandelte auch gestern Nachmittag noch über kleine Reformen ihrer Reform.

Doch grundsätzlich stellen die Sozialdemokraten das Recht auf Entlassungen nicht infrage. Premierminister Lionel Jospin befürchtet, damit würde Frankreich sich „wirtschaftlich selbst strafen“ und in Europa ins Abseits begeben.

Seine Parteifreunde vom linken Flügel der PS, darunter Minister Jean-Luc Mélenchon, drohten den auch gestern noch zögerlichen linken Koalitionspartnern bereits, ein Scheitern des Gesetzes zur sozialen Modernisierung könne fatale Folgen haben. Nicht nur für die rot-rosa-grüne Regierung in Frankreich, die daran zerbrechen könnte, sondern auch für Europa. Begründung: Die französische Gesetzesinitiative sei „ein Fortschritt und ein Fanal für die anderen Länder“.

DOROTHEA HAHN